
Studie entschlsselt Zugang zu Berliner Techno-Clubs
«Heute Abend nicht, sorry» die Entscheidung, ob jemand in einen Club reinkommt oder nicht, fllen Trsteher*innen oft innerhalb von Sekunden. Ein internationales Forschungsteam hat sich mit den Mechanismen der Auswahlprozesse auseinandergesetzt und herausgefunden, welche Prozesse dahinter liegen.
Dazu fhrten die Forscher 38 Interviews mit Berliner Selekteur*innen, Clubbesitzer*innen, Veranstalter*innen, DJs, Sicherheitskrften sowie bei einem der Techno-Clubs auch mit Gsten. Als Selekteur*innen bezeichnen die Forschenden die Trsteher*innen, die auswhlen, wer in den Club reinkommt, und wer nicht. Auerdem beobachteten sie eine Nacht lang einen Selektionsprozess mit etwa 500 Entscheidungen an der Tr eines renommierten Clubs. Dazu sichteten sie Presse- und Archivmaterial und Dokumentationen zum Thema.
Im Vorfeld schon Selbstselektion
Die Entscheidung ber den Einlass beginnt schon vor dem Abend dadurch, wie die Clubs sich positionieren, sagt der Wirtschaftswissenschaftler Michael Kleinaltenkamp von der Freien Universitt Berlin im Gesprch mit der dpa. Er erforschte die Frage nach dem Einlass gemeinsam mit Kolleg*innen vom King’s College London und der University of Bath sowie der Karlstad University in Schweden. Sie sagen: Schon im Vorfeld finde eine Art Selbstselektion statt.
Grundlage dessen sei, wie die Clubs durch die Auswahl der Musik oder auch durch eine politische Haltung versuchen, eine bestimmte Kundschaft anzusprechen. «Jeder Club hat seine eigene Positionierung und Ausrichtung.» Man knne dann davon ausgehen, dass nur die Clubgnger*innen sich abends in die Schlange stellen, die wirklich Interesse haben und die sich einbringen wollen.
Natrlich seien das Ambiente des Clubs, die Musikanlage, die Bar und die Rumlichkeiten wichtig. Die Atmosphre aber werde durch die Gste geschaffen. «Wenn man eine gewisse Atmosphre schaffen will, ist man darauf angewiesen, dass man die richtigen Leute hat, mit denen man diese Atmosphre schafft.»
Positiv zur Atmosphre beitragen
Gste mssen den Forscher*innen zufolge signalisieren, dass sie reinwollen und gleichzeitig an dem Abend etwas zur Atmosphre beitragen knnen. «Die Clubs haben letztlich als wichtigsten Grund fr das Reinlassen immer: Trgt der Mensch, der da jetzt reinkommt, zur Atmosphre etwas bei, und zwar positiv. Das ist das Grundkriterium.»
Im zweiten Schritt sei es wichtig, ein soziales Kapital mitzubringen: «also dass man sozusagen diese Szene kennt, dass man diese Musik kennt, dass man bestimmte Codes kennt, wie man sich verhlt». Auch dazu wrden Fragen gestellt. Oft sei die Frage, welcher DJ an dem Abend spiele, manchmal wrde aber auch danach gefragt, was man vorher gemacht habe oder noch so vor habe. «Es geht darum, seine Zugehrigkeit zu beweisen.» Dabei komme es weniger darauf an, die Fragen richtig zu beantworten, sondern viel mehr darum zu gucken, wie die Person reagiert.
«Und dann muss man immer noch so ein bisschen was Besonderes mitbringen», sagt Kleinaltenkamp. Man msse sich als potenzieller Clubgast also einfgen und gleichzeitig herausstechen. Und das hnge sehr von der Atmosphre in der jeweiligen Nacht ab. «Das ist am Anfang natrlich anders als spter, und das wird auch durchaus von den Leuten beobachtet.»
Die Trsteher*innen gehen demnach regelmig durch den Club, gucken wie die Stimmung ist und verndern ihre Entscheidungskriterien entsprechend. Dabei gehe es auch ums Geschlecht, also mehr Frauen oder mehr Mnner, aber auch die sexuelle Orientierung, die Hautfarbe, manchmal auch die Energie, erklrt Kleinaltenkamp. «Das ist auch ein Grund dafr, warum man nicht immer reinkommt.»
Safe Spaces schaffen
Ein weiteres Kriterium sei die Schaffung sicherer Rume fr marginalisierte Gruppen. Die Leute, die diese Szene prgen, betrachten sich in vielen Fllen durchaus als marginalisiert, sie seien auf der Suche nach einem sicheren Platz, an dem sie sich ausleben knnen, sagt Kleinaltenkamp. «Und das kriegt man ja nur hin, wenn man nur Leute drin hat, die eben dieselbe Haltung haben.» Daher sei Exklusion ein wichtiger Bestandteil des Auswahlprozesses und treffe hufig diejenigen, die eher nicht-marginalisierte Gruppen angehren.
Bei einer Ablehnung haben die genannten Grnde teils nicht unbedingt etwas mit den wahren Grnden zu tun. «‹Du bringst heute nicht die richtige Energie mit› wird beispielsweise eher nicht explizit gesagt», sagt Kleinaltenkamp. Stattdessen hren Abgewiesene eher ein «Du passt hier heute nicht rein», oder «Der andere Club da drben passt heute vielleicht besser» wenn berhaupt.
So ganz in die Karten schauen lieen sich viele Clubs aber nicht, auch weil die Mystifizierung dem Bild der Clubs dient. Dazu trage beispielsweise auch bei, dass oft keine Fotos gemacht werden drfen. (cw/dpa)