Adi wird von Homo-Hassern verprgelt  und zum Exorzisten geschickt
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Adi wird von Homo-Hassern verprgelt und zum Exorzisten geschickt

Man kennt sich. Das ist ja das Schne am Leben auf dem Land. Die Nachbarschaft ist nicht grostdtisch-anonym, sondern das ganze Dorf vertraut. Man kennt sich, man hilft sich und man hlt zusammen, das ist eine Regel, die das Provinzleben ausmacht. Wenn man Geld braucht, so wie Adis Vater, dann gibt es jemanden, der es ihm unkompliziert leiht. Hand drauf.

Der zweite Glaubenssatz, der das Dorfleben gerne definiert: Eine Hand wscht die andere. Wer gibt, der bekommt auch. Und wer nicht geben will oder kann, dem wird klar gemacht, was das fr Folgen haben kann. Keine guten, so viel lsst sich sagen.

Moloch versus Moral

Es sind solche berzeugungen, die das Leben fernab der Grostadt romantisieren, klar. Aber die Provinz braucht sie auch, um sich von der verkommenen Metropole abgrenzen zu knnen. Moloch versus Moral. Ein fast universeller Dualismus, egal wo.

In diesem Spannungsfeld siedelt der rumnische Regisseur Emanuel Prvu sein Drama «Drei Kilometer bis zum Ende der Welt» an. Darin bellen Hunde, Khe muhen, Schweine grunzen, der Wind umsuselt sanft die Bltter, das Schilf im Donaudelta ist satt und grn. Eine sommerliche Idylle.

Adi verschweigt, wer ihn begleitete

Dieses friedliche Bild wird ge- und zunehmend zerstrt, als der 17-jhrige Adi nachts verprgelt und ausgeraubt wird. Blutberstrmt und mit blauen Augen kommt er nach Hause. Seine Eltern sind am nchsten Tag schockiert. Der Vater hegt schnell den Verdacht, sein Sohn soll fr seine eigenen Schulden bestraft worden sein.

Adi sagt, er war alleine, er erinnere sich nicht an die Tter. Doch das ist eine Lge. Er war mit einem anderen Mann unterwegs, die beiden haben auf einer staubigen Dorfstrae Zrtlichkeiten ausgetauscht, sich die Hand geksst. Adi verschweigt das, er wird wissen, weshalb. Gespielt wird Adi von Ciprian Chiujdea, der selbst mit Homophobie aufgewachsen ist und der in seiner ersten Hauptrolle begeistert. Er knnte ein echter Shootingstar werden.

Adi wird bestraft, die Kirche macht mit

«Er bedeutet mir alles», sagt der Vater ber den Sohn, als er gemeinsam mit dem Dorfpolizisten anfngt, nach den Ttern zu suchen. Man kennt sich, man hilft sich: Es dauert nicht lange, bis sie herausfinden, wer Adi das angetan hat. Und mehr noch: wieso. Von «Er bedeutet mir alles» kann dann nicht mehr die Rede sein. Fr Adi beginnt damit eine Tortur, die wohl noch schlimmer ist als der bergriff selbst.

«Drei Kilometer bis zum Ende der Welt» zeigt, dass eine heile Welt schnell Risse bekommt, wenn man sich nicht an die Regeln hlt. Die Regel lautet, hetero und maskulin zu sein, nicht aufzufallen, nichts mit Leuten aus der verdorbenen Hauptstadt zu tun zu haben, wo ohnehin alle Drogen nehmen. Aus einem Opfer wird sonst schnell ein Schuldiger, der fr seine Homosexualitt bestraft wird. Die Kirche mischt da natrlich gerne mit.

Nur eine Beamtin versucht, Adi zu helfen

Das Drama bleibt dabei auf bildlicher Ebene meist distanziert. Die Szenen werden in langen und weiten Einstellungen eingefangen, die Totale dominiert. Vor allem Dialoge verlieren so an Nhe und Dringlichkeit. Das ist ein fr so ein bewegendes Thema ungewhnlicher Look, der das Publikum eher zum Beobachten als zum Mitfhlen bringt.

Der Film ist mnnerdominiert, Frauen sind nur als Ehefrauen oder Polizei-Sekretrin prsent. Das ndert sich, als eine Beamtin vom Jugendamt in den Ort kommt, um den inzwischen zum vermeintlichen Vorteil aller Beteiligten verschleierten Fall von Adi zu untersuchen. Ihre Figur erinnert an Nikolai Gogols Revisor. Wie in der russischen Korruptions-Satire wird ihre Mission zunehmend absurd. Am Ende steht jedoch kein Lacher, sondern Ernchterung die fr Adi nur einen Ausweg zulsst.

Ein bedeutsamer Film frs rumnische Kino

Damit hebt sich Emanuel Prvu mit «Drei Kilometer bis zum Ende der Welt» deutlich von Radu Jude ab. Der ebenso aus Rumnien stammende Regisseur und Festival-Liebling zeigt die rumnische Gesellschaft berzeichnet und gibt sie einer absurden Lcherlichkeit preis. Manche bezeichnen ihn als Enfant Terrible, seine Filme sind beeindruckend ungewhnlich.

«Drei Kilometer bis zum Ende der Welt» dagegen ist konventioneller, von der Gestaltung wie auch der Story. Manches Publikum in Westeuropa wird wenig Lust auf eine weitere Story ber homophobe Gewalt haben auch wenn der Film ber deutlich mehr Ebenen als diese verfgt. Fr das an queeren Themen arme rumnische Kino ist das preisgekrnte Drama jedoch bedeutsam. Zurecht wurde es im vergangenen Jahr in Cannes mit der Queer Palm ausgezeichnet.