Der queerpolitische Reformstau kehrt zurck
Queerpolitik ade ist das unsere nchste Zukunft? Nach Ansicht der Rechten und eines angeblich linken Bndnisses Sahra Wagenknecht auf jeden Fall. Kehrt also der queerpolitische Reformstau zurck und werden berechtigte Ansprche auf Gleichberechtigung und Teilhabe fr queere Menschen wie frher einfach ignoriert? Steht Erreichtes gar zur Disposition? Weil ja auerdem noch berall gespart werden muss.
Mit den letzten drei Landtagswahlen vom September (Thringen, Sachsen und Brandenberg) und der bevorstehenden Bundestagswahl am 23. Februar 2025 wurden und werden jedenfalls die Karten in der Politik gerade neu gemischt. Wie es aussieht, wird das Regieren dadurch alles andere als einfacher und die Durchsetzbarkeit queerpolitischer Ziele immer unwahrscheinlicher.
Das Erreichte bewahren wre schon ein Erfolg
In Sachsen wird es eine Minderheitsregierung geben, womit unklar ist, wie Mehrheiten zustande kommen, in Thringen gibt es eine Patt-Situation und dazu eine stramm rechte Opposition mit der Mglichkeit zum Boykott politischer Entscheidungen mit Verfassungsrang durch das Instrument der Sperrminoritt, und in Brandenburg steht zwar eine Regierungsmehrheit in den Startlchern, aber mit dem BSW gibt es einen Partner, der von der Selbstherrlichkeit einer erklrtermaen queerfeindlichen Sahra Wagenknecht abhngig ist.
Auch wenn wir nach der US-Wahl gelernt haben sollten, Prognosen mit Vorsicht zu genieen, drfte die nchste Bundesregierung wohl mit grter Wahrscheinlichkeit eine unionsgefhrte sein, und offen bleibt vorerst, wer mit auf der Regierungsbank sitzen wird. Fr diejenigen, die an Wunder glauben, ist freilich alles noch offen.
Glcklich ist, wer vergisst, was nicht zu ndern ist, heit es bekanntlich in der Operette. Genau das wre jetzt der falsche Weg der Kampf um Anerkennung hat ohnehin nie aufgehrt und muss weitergehen. Ein Blick auf die aktuelle politische Entwicklung und ein weiterer Blick in die mittlerweile vorliegenden Koalitionsvertrge aus den oben genannten drei Lndern sagt uns doch genau das: Das Erreichte an queeren Infrastrukturen bewahren und sichern, wo es nicht schon weggespart wurde, und all das, was noch fehlt, laut und deutlich und immer wieder anmahnen. Und mit wir meine ich all jene, die ein existentielles Interesse an Queerpolitik haben.
Enttuschende Koalitionsvertrge im Osten
Was sagen die neu gemischten Karten ber Queerpolitik aus? Und was wre im Bund zu erwarten, wenn die Union wieder im Spiel ist, wovon auszugehen ist?
Beginnen wir mit Sachsen und Thringen: In Sachsen sind CDU und SPD eine Koalition eingegangen, ohne jedoch eine Regierungsmehrheit im Dresdner Landtag zu haben. Schon die Wahl des Ministerprsidenten erscheint mehr als fraglich, und selbst wenn die wie auch immer gelingen sollte, bleibt die Regierungsarbeit mit wechselnden Mehrheiten ein Glcksspiel. Unklar, ob das dafr vorgesehene Konsultationsverfahren funktionieren wird. Denkbar bleibt deshalb, dass es zu Neuwahlen kommt.
In Sachen Queerpolitik gibt es tatschlich einen Passus in dem mit «Mutig neue Wege gehen» berschriebenen Koalitionsvertrag, nmlich immerhin mit dem Bekenntnis zum gesellschaftlichen Zusammenhalt und respektvollen Miteinander. Dazu gehre Demokratiefrderung mit Fokus Rechtsextremismus, Rassismus und Diskriminierung. Und weiter: «Wir bekennen uns zu einer vielfltigen Gesellschaft.» Weshalb der Landesaktionsplan zur Akzeptanz der Vielfalt von Lebensentwrfen weiter umgesetzt und weiterentwickelt werden soll (queer.de berichtete).
Hrt sich gut an und klingt erst mal beruhigend, aber die Frage bleibt, mit welcher Mehrheit und wie die Weiterentwicklung aussieht? Ein solches Bekenntnis findet sich auch im Thringer Koalitionsvertrag, den CDU, BSW und SPD ausgearbeitet haben und der den Titel «Mut zur Verantwortung» trgt (queer.de berichtete). Bei der Patt-Situation im Erfurter Landtag braucht es den in der Tat. Auch hier will man mit Konsultationen regieren. Im Vertrag heit es: «Wir werden das ‚Landesprogramm fr Akzeptanz und Vielfalt‘ evaluieren und fortschreiben. Auf dieser Grundlage werden wir es langfristig, verlsslich und auskmmlich finanzieren.»
Groe Ignoranz in Brandenburg
Ganz anders Brandenburg, wo die SPD mit dem BSW verhandelte und das Ergebnis unter der berschrift «Bewhrtes sichern. Neues Schaffen» verffentlichte. Dort suchen wir vergeblich nach dem Stichwort «queer» auf 67 Seiten glatte Fehlanzeige. Dabei hat Brandenburg auch einen Landesaktionsplan in Sachen queer, aber dazu bekennen wollte sich da jetzt niemand mehr. (queer.de berichtete) Weshalb es spannend bleibt, wie die neue Regierung damit umgehen wird. Jedenfalls ist die queere Community in Alarmbereitschaft und in nicht unberechtigter Sorge.
Klar, die Zukunft ist immer irgendwie ein offener Posten, und Bekenntnisse mgen zumindest ein wenig Hoffnung geben, aber wenn es nicht mal ein Versprechen gibt wie in Brandenburg, sondern nur Funkstille was dann? Womit wir bei einem Ausblick auf eine unionsgefhrte Bundesregierung angekommen sind ein ebenso offener Zukunftsposten.
Wieviel Vielfalt hat die Union im Sinn?
Wir erinnern uns an das CDU-Grundsatzprogramm vom Frhjahr samt der peinlichen Neuauflage einer Leitkultur. Wir erinnern uns an den kulturkmpferischen Ton gegen Identittspolitik, die angeblich spaltet, ohne dass die Autor*innen des Papiers mit ihrer Predigt zur Leitkultur erkannten, dass sie damit selber nichts anderes als Identittspolitik produzieren. Mit dem gravierenden Unterschied, dass queere Identittspolitik die Beseitigung von Ungerechtigkeiten zum Ziel hat, whrend die der Union offen Abgrenzung und Ausschluss betreibt. Die eigenen Fehler sieht man halt lieber bei den anderen.
Und weil ja die ungute Erinnerung an die Ablehnung der Union zum Selbstbestimmungsgesetz noch ganz frisch ist, ist die Frage nicht unberechtigt, welche Vielfalt sie berhaupt im Sinn hat und wer in den nchsten Jahren zu den weiterhin ausstehenden Antworten zu queerpolitischen Fragen mit an den Tisch kommen darf. Wer vom ideologischen Genderbegriff spricht und nur sogenannte biologische Geschlechter kennt, scheint offenkundig eine andere Zukunft zu wollen als wir. Da beruhigt auch kein Satz wie dieser «Wir stellen uns jeglicher Diskriminierung entgegen.» Wenn es so wre, stnde im Grundsatzprogramm etwas anderes.
Wie schnell wir uns doch daran gewhnt haben, dass eine Bundesregierung, wie es die Ampelkoalition war, sich ab und an mal mit unseren Themen befasst hat. In der Bibel ist von sieben fetten Jahren die Rede, htten wir also noch vier Jahre gut. Ich frchte die Rechnung geht nicht auf.
