Der unanstndige Kampf des CDU-Professors gegen queere Menschen
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Der unanstndige Kampf des CDU-Professors gegen queere Menschen

Andreas Rdder hat sich wieder einmal zu Wort gemeldet. Und wenn er das tut, ist das stets von der Art, bei der ich mich frage, wie so jemand Professor werden konnte. Denn kritisches Denken mit wissenschaftlichem Anspruch schliet bekanntlich selbstkritisches mit ein. Auer windschiefen Argumenten haben wir von dem bekennenden Konservativen und Verteidiger einer deutschen Leitkultur la Union, an der er eine Zeitlang mitgestrickt hat, noch nichts wirklich Vernnftiges gehrt zumindest, wenn es die queere Community betrifft.

Der Vorteil: Es braucht nicht viel Anstrengung, um die Sinnverdrehungen und Widersprche zu durchschauen und die schamlosen Absichten dahinter zu erkennen. Dass die sogenannten brgerlichen Medien auf Rdder abfahren, spricht nicht gerade fr sie. Aber sie schicken halt lieber einen polarisierenden Meinungsmacher wie Rdder in die Arena, um sich nicht selbst bekleckern zu mssen.

Eigentlich sollte es in dem Interview mit der «Neuen Zrcher Zeitung» vom 2. September (Bezahlartikel) um «Deutschlands heiklen Umgang mit Russland» gehen, denn Rdder ist Professor fr neueste Geschichte in Mainz. Wre es nur bei diesem Thema geblieben, aber ohne Seitenhiebe in Richtung queere Community ging es nicht: «Viele glauben, die Qualitt der liberalen Demokratie messe sich an der Anzahl Queer-Klubs pro Quadratkilometer.» Wer sind die «vielen», die das glauben? Fr Rdder sind es «die Linken» oder anders gesagt die «Wokeness-Ideologie». Von woke habe ich schon oft gehrt, bin aber noch nie jemanden mit einer solchen Selbstbezeichnung begegnet. Ist eben nur eine zweckdienliche Erfindung wie «Cancel Culture». Letztere wird, wie wir Tag fr Tag erfahren, vorzugsweise von denen praktiziert, die sie gerne den sogenannten Woken unterstellen.

Queere Menschen sollen sich still und rechtlos in der Ecke verstecken

Rdder sieht ein Gespenst in der liberalen Demokratie umgehen die Gefahr der berforderung. Wer berfordert sie? Na, wer schon die Woken, die nicht genug kriegen von Gleichberechtigung und Selbstbestimmung: «Aus einer Emanzipationsbewegung fr bestimmte Lebensformen ist ein Modell fr die staatliche Umgestaltung der Gesellschaft geworden. Diese berspannung ist das Problem, nicht die Toleranz, die dem Ganzen zugrunde liegt.» Merken wir uns hier mal den Begriff «Toleranz» ich komme darauf zurck. Doch der Interviewer wollte es genauer wissen: «Blasen Sie da nicht ein Randphnomen auf?» Und Rdder antwortet:

Das war vor gut drei Jahren (und in Wahrheit doch ziemlich anders) aber aktuelle Beispiele sind Rdder offenbar nicht eingefallen. Auch so eine Methode: Einzelflle zurechtzubiegen, aufzublasen, zu generalisieren und wie Trophen durch alle Diskussionsforen zu schleppen. Man hat ja nur die paar Flle. Und aus all dem wird dann noch konstruiert, dass die Woken schuld seien am Aufstieg der Rechten. Heit das: Wrden wir still und rechtlos uns in einer Ecke verstecken, wie es einmal war, gbe es keine Rechten. So vielleicht? Aber gab es die frher nicht auch schon? Denn, wie Herr Rdder meint, wrden wir den Bogen berspannen. Das spiele den Rechten in die Hnde.

Rdder geht es ausschlielich um den eigenen Machterhalt

In Wahrheit geht es bei Rdder um was ganz anderes. Nmlich um den Erhalt der Heteronormativitt und Heterosexualitt als kultureller Standard, um die ngstlich behtete Zweigeschlechtlichkeit, um Monogamie und Kleinfamilie. Alles, was davon abweicht, sei zwar tolerierbar, aber bitteschn nur in der jeweils reservierten gesellschaftlichen Nische. Am Ende geht es also ganz banal um den eigenen Machterhalt, um Besitzstandswahrung, um Deutungshoheit, die bei der brgerlich-konservativen Mitte angeblich in bewhrten Hnden liege.

Und er spricht wirklich nur von Toleranz, also von Duldung. Anerkennung? Fehlanzeige! Denn dann msste sich Rdder ja angesichts sozialer Ungleichheit und von strukturellen Benachteiligungen und Diskriminierungen damit auseinandersetzen, wie berechtigt gesellschaftliche Vernderungen sind. Schlielich haben wir eine Verfassung, die Gleichbehandlung und Gleichberechtigung vorschreibt (mit den nach wie vor bekannten Verwirklichungsdefiziten) und gleich am Anfang sogar noch von der Unantastbarkeit der menschlichen Wrde spricht.

Dass Rdder dabei nicht vor haarstrubenden Aussagen zurckschreckt, zeigt doch nur die ganze Schamlosigkeit seiner Haltung. Ein Beispiel: «Die extensive Verwendung von Begriffen wie ‚menschenfeindlich‘ zeugt [] von Moralisierung als Methode der Exklusion.» Diesen Satz nannte der Soziologe Wilhelm Heitmeyer in «Der Spiegel» vom 14. Januar 2021 (Bezahlartikel) zu Recht ungeheuerlich. Denn hier werde das Ausma an gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit wenn nicht geleugnet so doch ignoriert.

Reale gesellschaftliche Zustnde werden als bloe Moralisierung herabgewertet, so Heitmeyer. Verzerrung von Realitt gehre zu Rdders Strategie: «Wenn Rdder sich nun gegen linke Identittspolitik positioniert, dann verschweigt er gleichzeitig die konservative Identittspolitik» und kommt schlielich noch zu so verstiegenen Aussagen wie dieser: «Je benachteiligter eine Person ist, desto strker ist ihre Position. Benachteiligung wird dadurch attraktiv.»

Inklusion wird als Bedrohung inszeniert

Die Ablehnung einer inklusiven Gesellschaft komplettiert das ideologische Weltbild von Andreas Rdder, der dies in seiner Mnchner Denkfabrik R21 («Denkfabrik fr neue brgerliche Politik») als rettenden Konservativismus verkauft. Schon 2014 durfte Rdder in der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung» ber die Frage «Wohin fhrt die Kultur der Inklusion?» (Bezahlartikel) schwadronieren: «Anstelle des Primats selbstverantworteter Leistung, auf der das liberale Gesellschaftsmodell beruht, setzt die Kultur der Inklusion in erster Linie auf Nachteilsausgleich, Gleichstellung und moderierte Vielfalt.» Die positiven Aspekte seien jedoch nicht das Entscheidende: «Denn der Schwerpunkt liegt nicht darin, Voraussetzungen fr die Entfaltung individueller Leistung zu schaffen, die zwangslufig zu unvorhersehbaren Ungleichheiten fhren. Es gilt, die Gesellschaft im Sinne der Gleichstellung bestimmter Gruppen zu gestalten.» Und was spricht dagegen? Der Machtverlust fr Rdder & Co. und deshalb inszeniert Rdder Inklusion als Bedrohung.

In seinen Debatten-Beitrgen geht der konservative Rdder also mit der Mode erst gegen die Inklusion, dann gegen die gendergerechte Sprache, gegen Identittspolitik und derzeit frontal gegen die Minderheiten selbst, die doch bitte dortbleiben sollen, wo sie seiner Meinung nach hingehren irgendwo an den Rndern der Gesellschaft, wo die als konservativ vereinnahmte Mitte sie dulde. Ja, man ist schlielich tolerant, so lange die Grenzen beachtet werden. Und wer will schon mit einer gerechteren Gesellschaft berfordert werden!

Als ob man nur konservativ sagen msse, damit die Zeit stehen bleibt. Jedenfalls lieferten angestaubte Ansichten noch nie ein gutes Argument. Was den Konservativen la Rdder abgeht, ist offenbar die Fhigkeit zum dialektischen Denken. Denn wie heit es bei Wolf Biermann ganz richtig? Nur wer sich ndert, bleibt sich treu. Aber dazu brauchte es nicht nur vorurteilsfreien Verstand, sondern vor allem auch Anstand. Und ich dachte immer, Anstand sei eine konservative Tugend. Offenbar ein Irrtum. Das Existenzrecht von Minderheiten und deren Anspruch auf Gleichstellung und Gleichberechtigung ist nun mal nicht in kontroversen Debatten verhandelbar. Wer nur tolerieren kann, der glaubt wohl auch, dass Menschen nach Klassen sortiert sind.