Die Herrschaft des Bullshit
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Die Herrschaft des Bullshit

Meine schon etwas lngere Lebenserfahrung lehrt mich, dass Dummheit oft das Zuverlssigste im Leben ist. Alles andere ist Glckssache. Wenn heute mit Blick auf das, was wir Backlash nennen, die Rede von Kardinalfehlern des trans Aktivismus ist, dann ist das so ein typischer Fall von Voll-Daneben. Oder, um mit dem US-Philosophen Harry G. Frankfurt zu sprechen, dann ist das ein typisches Beispiel fr die Herrschaft des Bullshit.

Als ob Rechtsextreme, Rechtspopulisten oder Faschisten wie Trump, Putin, Orbn und Konsorten nur deshalb trans- und homofeindlich sind, weil wir in der Vergangenheit zu viel gefordert haben und offenbar zu erfolgreich waren, und weil wir heute gesellschaftliche Sichtbarkeit erreicht haben. Wobei schon klar ist, dass eine grere Sichtbarkeit auch grere Angriffsflchen bedeutet. Aber womit wohl kaum die Berechtigung fr unsere Sichtbarkeit in Frage gestellt ist.

Behauptet wird, die queere Community und ganz besonders die trans Community seien schuld am Backlash. Springt einem da nicht frmlich die schreiende Dummheit ins Gesicht? Weitergedacht heit das doch, dass ich als trans Frau selbst schuld bin an dem Hass, den Menschen wie ich erfahren, und zwar aus dem einfachen Grund, weil ich mir erlaube zu existieren und weil wir irgendwann vor langer Zeit mit dem Leben im Schrank aufgehrt haben.

Wir sollen wieder Krankheitsflle werden

Also wollen die, die uns die Schuld am Backlash geben, uns wieder in die queerpolitische Steinzeit katapultieren? Ist das Gebot der Stunde also Wegducken, Verzicht, Leisetreterei, ngstlicher Rckzug ins Private? Merkt denn von denen niemand, dass wir nur der Versuchsballon sind fr das viel grere Projekt der Pulverisierung der Demokratie? Was erleben wir denn gerade in den USA? Die Demontage eines Staates, bei der wir trans Menschen zwar prominent in die erste Reihe eines Rachefeldzugs geschoben wurden, aber das htte auch mit allen anderen Minderheiten funktioniert siehe Menschheitsgeschichte. Diesmal trifft es uns.

Wir sollen also aufhren zu glauben, dass Grundrechte auch fr uns da sind und dass wir uns nur als arme, weil kranke Menschen eine Chance in dieser Gesellschaft ausrechnen drfen (Stichwort Mitleid). Und was schlgt man uns vor? Alles zurckzunehmen, wofr wir Jahrzehnte gekmpft haben: Die Entpathologisierung von trans und die geschlechtliche Selbstbestimmung. Wir sollen wieder Krankheitsflle werden. Psychiater*innen sollen wieder trans als Persnlichkeitsstrung diagnostizieren drfen. Die Selbstbestimmung wird ersetzt durch psychologische Gutachten, weil wir selbst angeblich ja nicht unsere Geschlechtsidentitt wissen knnen, sondern nur unabhngig urteilende Psycholog*innen und Psychiater*innen. Und schlielich knne es ja wohl kein Menschenrecht auf «gefhltes» Geschlecht geben. Kurzum: Geschlechtsmndigkeit pass.

Wir zerlegen uns mal eben selbst

Es ist nicht zu glauben, aber genau das wird allen Ernstes in bestimmten trans Kreisen diskutiert. Wir brauchen also gar keinen genderkritischen Feminismus la Lasst Frauen sprechen oder Frauenheldinnen, keine AfD, kein BSW und was sonst noch an reaktionrer Klientel Expertise in Transfeindlichkeit hat, wir zerlegen uns mal eben selbst. Das erinnert mich an unselige Debatten ber die Frage, wer denn «echt» oder «nicht echt» transsexuell sei. Das ist mittlerweile vierzig und mehr Jahre her. Aber aus manchen Kpfen ist das nie verschwunden. Manche bleiben geistig einfach stehen.

Das ist natrlich noch nicht alles an sogenannten Kardinalfehlern des trans Aktivismus: Da gehrt beispielsweise die Behauptung dazu, geschlechtliche Selbstbestimmung gehe auf Kosten von Frauen, Nichtbinaritt wird als Unsinn diffamiert, Minderjhrige zu medizinischen Manahmen verfhrt und in den Schulen finde queere Indoktrination statt bei der AfD heit das Frhsexualisierung.

Das Gedankenexperiment geht also so, wir machen alles wieder rckgngig und ab morgen werden uns Trump, Putin, Orbn und Konsorten lieben. Die mochten uns zwar vorher genauso wenig, aber gegen die Realitt hat ein fester Glaube schon immer geholfen, wenn auch nicht denen, die zum Opfer dieser Realitt wurden.

Die Mehrheit der Gesellschaft hat gar kein Problem mit uns

Zur Erinnerung: Die Diskussion ist keineswegs neu. Im «Jahrbuch Sexualitten 2021», dieser Kampfschrift einer nicht gerade queeren, wohl aber verqueren Wissenschaft, hatte die Politikwissenschaftlerin Esther Kovts den trans Aktivismus zum ntzlichen Idioten der Rechten machen wollen, indem wir die rechte Politik mit unserer Forderung nach geschlechtlicher Selbstbestimmung befeuern wrden.

Sie hatte damals fr so etwas wie einen selbstgewhlten Backlash argumentiert, indem wir der Mehrheitsgesellschaft durch Rcknahme unserer Forderungen entgegenkommen und damit auf einen Revisionismus setzen, der uns wieder nett und hinnehmbar erscheinen lasse. Dabei hat die Mehrheit der Gesellschaft gar kein Problem mit uns. Kann man in der empirischen Forschung nachlesen siehe Steffen Mau u.a. «Triggerpunkte». Das Problem haben nur gewisse Eliten und ein reaktionrer Bodensatz. Dass dem so ist, beweist mir Tag fr Tag meine Nachbarschaft oder die Kassiererinnen im Supermarkt wie all die zahllosen Menschen, die mit mir die Sitzbank in den ffis teilen. Ich bin fr die kein Problem, so lange ich mich nicht an der Kasse vordrngle.

Ich fasse zusammen: Wer trans Menschen die Schuld am Backlash gibt, der betreibt nichts anderes als eine Art Victim Blaming, eine perfide Opfer-Tter-Umkehr. Wir kennen das zur Genge. Es besttigt wieder einmal die Herrschaft des Bullshit. Nur diesmal kommt sie aus den eigenen Reihen.