Die Union lsst trans Menschen ber die Klinge springen
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Die Union lsst trans Menschen ber die Klinge springen

CDU und CSU bedienen sich beim Entwurf ihres Wahlprogramms aus dem Handbuch des Populismus. Das wre alleine noch keine Schlagzeile wert, mehr oder weniger machen das alle Parteien. Spannend wird es, wenn sich eine Partei im Wahlkampf gegen eine Gruppe Menschen richtet. Da kann zwischen Grundgesetz und Wahlprogramm schnell eine Lcke entstehen. Damit das nicht auffllt, muss man die Karten in diesem Spiel zinken und gut mischen. Das Geheimnis der Unaufflligkeit liegt im Weglassen.

Angenommen, wir fragen die Bevlkerung, ob sie ein sogenanntes Genderverbot untersttzt. Gemeint ist ein Verbot geschlechtergerechter Sprache, die auch das Weglassen der Anrede Herr oder Frau bei einer nichtbinren Person oder Verhinderung einer neutralen Berufsbezeichnung fr diesen Menschen bedeuten kann.

Heraus kommt ein Umfrageergebnis, in dem man nachlesen kann, wie viele Frauen oder Mnner mehrheitlich dafr waren. Das hilft einem als CDU/CSU-Parteimitglied doch ungemein als Argument fr ein «Genderverbot», oder? Den Gedanken, dass eine falsche Anrede Persnlichkeitsrechte missachtend und damit verfassungswidrig ist, hat man beim Auftrag zur Umfrage bewusst unter den Tisch fallen lassen. Darf man solche Fragen stellen? «Finden Sie es gut, dass man nichtbinre Menschen diskriminiert?», htte man stattdessen auch fragen knnen. Wie wren da die Antworten ausgefallen?

Glaube keiner Statistik, die du nicht selbst geflscht hast, so heit es. Das gilt auch hier. Sie haben es nicht gemerkt? Menschen mit dem Personenstand divers oder ohne Geschlechtseintrag, also die, die unmittelbar betroffen sind, sind offensichtlich nicht gefragt worden, und bei Statista kann man noch nicht einmal Kund*in werden. Zur Auswahl steht nur Herr oder Frau, wenn jemand mehr als Gratisinfos haben mchte.

Im Wahlprogramm der Union will man gleichzeitig fr geschlechtergerechte Sprache und gegen «Genderzwang» sein. Beides gleichzeitig geht jedoch nicht.

Mit der Realitt hat das Wahlprogramm wenig zu tun

So malt man sich die Welt, wie sie einem gefllt. CDU und CSU sind gegen eine ausdrckliche Ergnzung des Grundgesetzes, die auch die geschlechtliche Identitt schtzen wrde, das ist nicht neu. Auf der anderen Seite sagen sie uns, Geschlecht als geschtztes Merkmal wrde doch ausreichen. Es wird Zeit, dass ein nichtbinrer Mensch gegen ein schon bestehendes «Genderverbot» klagt und damit diesen Kohlenstaub aus den Bros des Konrad-Adenauer-Hauses pustet.

Doch damit nicht genug: Das Portfolio der Wahlkampfkracher «born in the USA», die CDU und CSU unter der Brandmauer zur AfD durchgezogen haben, umfasst vor allem die Gesundheits­versorgung und die als «Self-ID» diffamierte Selbst­bestimmung des Geschlechtseintrags.

Aus dem Abscheider im Think Tank der beiden Parteien erfahren wir, dass trans­geschlechtlichen Jugendlichen wieder zudringliche und vllig irrelevante Fragen zu ihrem Sexualverhalten im Rahmen von Gutachten gestellt werden sollen. Von «leichtfertigen Geschlechtswechseln» ist da die Rede und der Themenmixer luft auf Hchstdrehzahl, wenn von einem Verbot von Operationen vor der Volljhrigkeit gesprochen wird.

Es zeichnet sich ein Gesamtbild ab: «Passende» Umfragen, der kleine Staatstreich aus Mecklenburg-Vorpommern auf dem als konservativ bekannten Deutschen rztetag gegen Hormontherapien bei trans Jugendlichen und jetzt das Wahlprogramm der CDU/CSU: Nichts von dem was zu diesen Meinungen gefhrt hat, hat etwas mit der Realitt zu tun. Nur wie viele wissen das? Wie in Grobritannien wird eine Stimmung produziert, die die gewnschten Meinungen und Abstimmungen liefert.

Union will UN-Kinderrechtskonvention aushebeln

Trans Gesundheit ist Sache der Fachleute in der Sexualmedizin, die in der Bundesrztekammer nur einen kleinen Teil ausmachen, und der Menschen, die es betrifft. Per Gesetz hat noch nie ein Mensch einen bestimmten geschlechtlichen Reifegrad zu einem Zeitpunkt x erreicht oder auch nicht. Das kann und wird individuell festgestellt werden. Ihre Geschlechtszugehrigkeit kennen junge trans Personen schon viele Jahre, in denen sie sich mit Leuten herumschlagen mssen, die ihnen ihre Rechte aus der UN-Kinderrechtskonvention absprechen wollen. Auch hier zhlt das Individuum und keine Schublade.

Minderjhrige haben bei medizinischen Behandlungen und Operationen ein Mitspracherecht, ein Totalverbot hebelt das aus.

Das Verfahren zur Genehmigung geschlechts­angleichenden Manahmen besteht bereits aus einer Vielzahl schwer zu berwindender Barrieren. Noch mehr davon treibt nur die Zahl der Depressionen und Suizidversuche in die Hhe. Mchten sich CDU und CSU auf die Seite rechter Evangelikaler und Faschisten stellen, die behaupten, die untersttzenden Mitmenschen der trans Jugendlichen oder sie selbst wren verantwortlich dafr, wenn sie leiden? Opfer-Tter-Umkehr kennen wir ja schon aus anderen Kontexten.

Tod durch Suizid, das ist das Programm

Noch dreister wird es bei der Gesundheitsversorgung transgeschlechtlicher Erwachsener. Eine «unabhngige Zweitberatung» soll her. Eine Forderung, die sich an Leute richtet, deren Seelen man mit einfachen Antworten fangen kann. Laut WHO ist Transgeschlechtlichkeit keine psychische Strung mehr, schon seit 2019. Davor ist die Einstellung der CDU/CSU-Wahlkmpfenden zu diesem Thema und die ist damit von gestern.

Transgeschlechtliche Menschen sollen sich also zu einer als medizinisch notwendig erkannten Manahme zweitberaten lassen, zu der sie schon von mindestens zwei medizinisch-psychologischen Fachkrften beraten wurden und dann noch mit dem Medizinischen Dienst in den Entscheidungskampf treten mssen? Bei Jugendlichen kommen da noch die Sorgeberechtigten dazu.

Alles ganz easy, liebe Wahlkampf-Strateg*innen? Sind ja nur 0,6 Prozent des Whler*innen-Potenzials, die hier ber die Klinge springen?

Eine derartige Politik lsst Menschen lnger leiden, fr die es schon medizinische und rechtliche Lsungen gibt, und verkauft sich dabei paternalistisch als Schutzmacht. Tod durch Suizid, das ist das Programm, das wir von den US Republikanern und autoritren Regierungen schon kennen. Das ist krank, es spaltet und zerstrt unsere Demokratie. Wem ntzt das?

Gut ist, dass die 0,6 Prozent auch Partner*innen, Eltern, Kinder, Geschwister, Kolleg*innen und Freund*innen haben und whlen knnen.