Diese Queens bringen ihre queeren Lebensrealitten in den «Polizeiruf»
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Diese Queens bringen ihre queeren Lebensrealitten in den «Polizeiruf»

«Ein feiner Tag fr den Bananenfisch» lautet der Titel des kommenden «Polizeirufs 110», der am Sonntag, den 18. Mai um 20:15 Uhr im Ersten ausgestrahlt wird (queer.de berichtete). Doch dieser ist viel mehr als ein klassischer Krimi, denn er stellt auch die queeren Lebensrealitten dreier Dragqueens in den Vordergrund. Immerhin haben diese Angst, als Zeug*innen auszusagen denn wie viele queere Menschen haben sie nicht unbedingt das beste Bild von der Polizei.

Um den «Polizeiruf» so realittsgetreu wie mglich darzustellen, war es den drei Dragqueens besonders wichtig, sich aktiv einzubringen und dem Drehteam von ihren persnlichen Erfahrungen zu erzhlen. Worauf es ihnen dabei besonders ankam und mit welchen Klischees sie vielleicht auch aufrumen wollten, verraten Meik van Severen und Patrice Griemeier im Interview mit queer.de.

Ihr seid am 18. Mai im «Polizeiruf 110» zu sehen. Knnt ihr uns ein wenig ber den Plot erzhlen?

Meik van Severen: Drei Freunde betreiben zusammen eine Bar, in der sie auch als Dragqueens auftreten, und werden auf dem Nachhauseweg Zeugen eines Mordes. Sie knnen zwar fliehen, doch die Tter sind ihnen auf der Spur. Daher entscheiden sie sich, die Hilfe von Cris Blohm und Dennis Eden anzunehmen und in ein Zeugenschutzprogramm einzutreten. Whrend ihrer Zeit im Umland bauen sie Vertrauen zu Blohm und Eden auf, und alle offenbaren ein wenig von ihrer Lebensgeschichte, ihren ngsten und warum es so schwerfllt, sich als queere Person an die Polizei zu wenden, wenn es um eine Aussage geht. Und dann kommt es pltzlich zu einem Angriff

Patrice Griemeier: Was diesen «Polizeiruf» so besonders macht, ist nicht die klassische Tterjagd denn die Tter sind von Anfang an bekannt sondern das Aufeinandertreffen zweier Welten, die sich langsam annhern und gegenseitig etwas beibringen. Es geht darum, was Vertrauen bedeuten kann, wenn man sich eigentlich schtzen muss. Und auch darum, dass Liebe und Solidaritt strker sein knnen als Angst oder Hass.

Eure Rollen gelten als Zeug*innen fr den Mord weshalb wollen diese keine Aussage machen?

Patrice Griemeier: Das Verhalten im Film ist absolut nachvollziehbar viele Dragqueens oder queere Menschen, wie ich selbst, haben Gewalt erlebt. Auf offener Strae sind wir nicht sicher, werden angespuckt oder krperlich angegriffen. Solche Vorflle passieren mitten in der ffentlichkeit, vor Zeugen. Trotzdem scheuen sich viele davor, zur Polizei zu gehen weil sie dort oft nicht ernst genommen werden. Dieses Misstrauen ist tief verwurzelt und wird im Film sehr realistisch dargestellt. Als Community halten wir zusammen, weil wir auerhalb oft missverstanden oder allein gelassen werden.

Meik van Severen: Genau dieses Misstrauen hat auch viel mit persnlichen Erfahrungen zu tun. Die drei Figuren im Film haben alle auf ihre Weise Diskriminierung durch die Polizei erlebt sei es durch fehlenden Respekt oder das Gefhl, nicht als gleichwertiger Teil der Gesellschaft zu gelten. Viele queere Menschen zeigen Gewalttaten gar nicht erst an, weil sie nicht glauben, dass ihnen wirklich geholfen wird. Dieses Gefhl, nicht gehrt oder gesehen zu werden, beginnt oft schon viel frher in der eigenen Familie, in der Schule, im Alltag. Der Polizeiapparat steht dann fr viele eher sinnbildlich fr ein System, das einen nicht schtzt, sondern ausschliet.

In der Presseankndigung heit es, dass ihr eure Erfahrungen als Dragqueens in den Dreh eingebracht habt. Knnt ihr hierfr Beispiele nennen?

Patrice Griemeier: Wir haben viel ber unsere Sprache gesprochen diesen oft rauen, direkten Ton untereinander, den Auenstehende vielleicht missverstehen wrden. Fr uns ist das eine Art, Gewalt die Macht zu nehmen und sie mit Zuneigung umzudeuten wie ein liebevolles «Ich hab dich lieb» oder ein «Ich bin stolz auf dich». Auerdem konnte ich dem Regisseur meine Drag-Familie vorstellen, unsere Dynamik, unser Miteinander und ich glaube, das hat geholfen, die Bedeutung einer Chosen Family sprbar zu machen, gerade wenn die Herkunftsfamilie einen nicht akzeptiert.

Meik van Severen: Patrice und ich sind auch auerhalb des Films als Drag Artists aktiv. Fr mich ist Drag eine knstlerische Ausdrucksform, die viel mit Emotionen, Schnheit, Schmerz und Empowerment zu tun hat. Wenn ich als «Faye Fatale» auftrete, kann ich Menschen auf einer anderen Ebene berhren. Diese Erfahrung das Spiel mit Schein und Sein habe ich stark in meine Figur einflieen lassen. Schon beim Drehbuchlesen haben wir unsere Alltagserfahrungen geteilt: Was ist realistisch, wie sieht eine Drag-Nacht wirklich aus? Auch beim Make-up, den Kostmen und im krperlichen Spiel hat unsere Erfahrung viel geholfen zum Beispiel, wie anstrengend es ist, den ganzen Tag in Heels und Korsett zu drehen.

Wie authentisch werden Dragqueens nun im «Polizeiruf» dargestellt?

Patrice Griemeier: Wir zeigen eine bestimmte Facette von Drag die, die wir selbst kennen und leben. Natrlich wre es schn gewesen, auch Drag Kings oder andere Formen zu zeigen, aber dafr war im Format nicht genug Raum. Trotzdem: Was wir zeigen, ist realistisch, ehrlich und nah an unserer eigenen Realitt.

Meik van Severen: Uns war wichtig, keine Klischees zu bedienen. Wir erzhlen eine Geschichte, die stark von unseren persnlichen Erfahrungen geprgt ist. Der Umgangston, das Necken, der Slang das alles ist Teil unserer Community, oft auch Selbstschutz. Und gleichzeitig geht’s um Zusammenhalt, Liebe und freinander Einstehen. Und ja wir sehen dabei verdammt gut aus. Das ist kein «Daytime Drag», das ist voller Glitzer, Glamour und Haltung.

Gibt es allgemeine Vorurteile ber Dragqueens, die ihr gerne schon immer mal widerlegen wolltet?

Patrice Griemeier: Leider gibt es da einige besonders verletzend finde ich den Vorwurf, wir wrden uns Menschen «aufzwingen» oder Kinder sexualisieren. Das ist vlliger Quatsch. Drag ist eine Kunstform, und wir wissen sehr genau, in welchem Rahmen wir auftreten. Es gibt Drag fr den Club und Drag fr die Kinderbuchlesung. Drag heit, sein Innerstes nach auen zu tragen. Und genau solche Werte wie Selbstbewusstsein und Akzeptanz brauchen Kinder.

Meik van Severen: Ein weitverbreitetes Missverstndnis ist die Gleichsetzung von Drag mit Crossdressing oder Fetisch. Drag ist Kunst nicht Fetisch. Mir war wichtig, unsere Figuren alltagstauglich, aber trotzdem sichtbar zu erzhlen. Heels zur Sporthose, Lippenstift zur Cap Kleidung ist Ausdruck, kein Kfig. Auch das Bild von bissigen, rivalisierenden Queens ist oft falsch. Vieles davon ist Selbstschutz oder kollektive Traumabewltigung. Wir feiern starke Frauenfiguren, weil sie uns durch schwere Zeiten getragen haben. Diese Kraft zeigen wir nicht Missgunst.

Wie hoch stuft ihr die Reprsentation von Dragqueens im deutschen Fernsehen ein, und an welchen Stellen knnte noch nachgebessert werden?

Patrice Griemeier: Es gibt noch viel Luft nach oben. Vor allem wnsche ich mir mehr Vielfalt Dragkings, Polittunten, avantgardistische Formen. Gerade Polittunten haben eine lange Tradition in der queeren Geschichte und verdienen mehr Sichtbarkeit. Und der Begriff ist heute lngst positiv besetzt.

Meik van Severen: Drag erlebt einen gewissen Hype das ist schn, aber im deutschen Fernsehen ist das Bild oft noch eindimensional. Drag ist ein schillernder Teil der Community, aber nicht der einzige. Und das, was im Fernsehen ankommt, ersetzt nie die Kraft einer echten Live-Performance. Also: Geht raus, schaut euch Drag auf der Bhne an da passiert die echte Magie.

Seid ihr privat auch Krimi-Gucker*innen?

Patrice Griemeier: Ich bin eher ein groer Grusel-Fan und kann mir auch mal was eher Gruseligeres mit Krimi vorstellen.

Meik van Severen: Ich bewundere gern meine Kolleg*innen in ihren Rollen, finde aber Mystery-und Psychothriller spannender.

Welche eigenen Ideen fr einen Krimi httet ihr?

Meik van Severen: Ein Freund erzhlte mir einmal von der Flle an okkulten und lndlichen Geschichten, die es berall in Deutschland so gibt, Unaufgeklrtesich finde immer sehr spannend, wenn es mehrere Mitwisser und Tter gibt, das erffnet Fragen nach kollektiver Schuld und Verantwortung.

Und wrdet ihr lieber einmal das «Opfer» oder den «Tter» in einem Krimi verkrpern?

Patrice Griemeier: Tter zu sein macht doch immer mehr Spa. Ansonsten nur wenn ich mich als «Opfer» rchen oder wehren drfte.

Meik van Severen: Solange die Figur vielschichtig erzhlt wird, spiele ich sie alle gern!