Filzluse, Grindr-Dates und die gewaltige Sehnsucht
Esel, Hund, Hundesohn: So steigern sich die Beleidigungen, je wtender Zakariyas Grovater, Dede, wird. Und Hassan machte Dede offenbar richtig wtend. Denn den Nachbarsjungen aus der Trkei, wo Zakariya seine Sommerferien mit den Eltern verbrachte, nannte er immer nur Hundesohn.
Diesen titelgebenden Hundesohn wird Zakariya, kurz Zeko, in neun Tagen wiedersehen. Der Student, Mitte 20, lebt in Berlin, bald wird er wieder nach Adana im Sden der Trkei reisen. Das macht ihn nervs, aber es macht ihn auch glcklich.
Zeko zhlte Muttermale auf Hassans Rcken
Hassan ist ein besonderer Mensch fr ihn. Jeden anderen Mann, den er datet, vergleicht er mit ihm: Einer hat seinen Blick, seine Augen, spricht wie er. Ein anderer hat weniger Muttermale auf dem Rcken als Hassan.
«Hundesohn» (Amazon-Affiliate-Link ) ist der erste Roman von Ozan Zakariya Keskinkılı, der zuvor einen Lyrikband sowie ein Sachbuch ber antimuslimischen Rassismus verffentlichte. Beide Spuren finden sich auch im Roman: Seine Sprache ist oft poetisch und blumig, vor allem, wenn sie Hassan beschreibt, dessen Haut etwa als «reif wie eine Haselnuss, ein warmer mittlerer Ton, der im Sonnenlicht golden schimmert».
Fragen nach Zugehrigkeit beschftigen Zeko
Manche Kapitel des Buches wirken durch ihre starken Pointen zudem wie eigenstndige, losgelste Kurzgeschichten von groer literarischer Qualitt. An anderen Stellen jedoch werden stndige Wiederholungen, eine stilistische Eigenheit des Autors, anstrengend. Der Countdown-Kehrvers, in wie vielen Tagen Zakariya Hassan wiedersehen wird, gibt noch Struktur vor. Doch fnf Mal «ein Steinbock und ein Zwilling, das ist ein Problem» auf dreieinhalb Seiten das ist zunehmend ermdend.
Die politische Dimension stellt ein Grundrauschen in «Hundesohn» dar. Fragen nach Zugehrigkeit und Identitt sowie Diskriminierungserfahrungen und Sprach(-losigkeit) beschftigen Zakariyas Reflexionen: «An keinem Ort dieser Welt bleiben mir die Fragen erspart», schreibt er die Fragen, wohin er gehrt, wessen Sprache er spricht, wieso er einen Akzent hat, kurz: wer er ist. Es sind wichtige und relevante Punkte, die stellenweise aber eher abgearbeitet wirken, vor allem in den Gesprchen mit seiner Uni-Freundin Pari.
Dating-Profile zu beschreiben ist so de
Der Roman erweitert die postmigrantische Literatur um eine dezidiert queere Perspektive. Zeko, trifft Typen auf Kaffee- und Sexdates oder fngt sich Filzluse ein. Es sind die schwachen Teile des Romans.
Die Beschreibung von absurden bis arroganten Dating-Profilen, das Hin und Her auf Grindr, bis man doch geghostet wird, mal mehr und mal weniger belangloser schneller Sex: All das ist zwar gut, anschaulich und oft unterhaltsam geschrieben. Aber es hat sich literarisch so wahnsinnig schnell abgenutzt, es ist gefllig und in seiner Gesamtheit schlicht belanglos. Es ist aus Bchern, Serien, Filmen und dem eigenen Leben so hinlnglich bekannt, dass es nur andet.
Ein lebhaftes Portrt von Sehnsucht
Zum Glck berwiegen aber die starken Momente: Die Erinnerungen an Hassan durchzieht eine tieftraurige Melancholie, die Ozan Zakariya Keskinkılı nachfhlbar beschreibt. Intime Szenen schildert er direkt, ohne manche Wrter knstlich zu vermeiden, aber nie um der Schwnze oder des Rimmings willen, sondern stets mit erzhlerischem Anspruch.
Auch die Gedanken rund um seine Familie, ihre Herkunft und Geschichten sind erhellend. Etwa von Dede, dem Friseur, der «alten Mnnern die Sorgen aus dem Bart schnitt». Und schlielich spielt auch der Islam, das Gebet, die Moscheebesuche eine wichtige Rolle fr den Ich-Erzhler, der sonst ein typischer urbaner Vertreter einer Generation zwischen Gen Z und Millennial ist.
«Hundesohn» ist ein lebhaftes Portrt von Sehnsucht nach einem Mann genau wie nach Antworten auf die vielen Fragen, die Zeko sich selbst sowie die Gesellschaft ihm stellt. Das macht den Roman trotz Schwchen zu einer gewinnbringenden Lektre. Denn vielleicht steckt die Antwort schon in der Suche selbst.
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