Kein Schuldspruch, keine Strafe: Verfahren gegen #ArztOhneNamen eingestellt
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Kein Schuldspruch, keine Strafe: Verfahren gegen #ArztOhneNamen eingestellt

Vier Jahre nach dem ersten Urteil im Missbrauchsprozess gegen den #ArztOhneNamen aus Berlin hat die Berufungskammer des Berliner Landgerichts das Verfahren gegen Geldauflage eingestellt. Das berichtete am Mittwoch der «Spiegel» (Bezahlartikel). Die vorlufige Entscheidung wurde «aufgrund des besonders langen Abstandes zu den Tatvorwrfen» getroffen, heit es im Beschluss. Kurz zuvor nahm die Staatsanwaltschaft ihre Berufung gegen Freisprche in drei Fllen zurck.

Die mutmalichen Opfer mssen einer Einstellung des Verfahrens nicht zustimmen. Damit ist der bekannte Szenearzt, gegen den ber zehn Jahre lang ermittelt wurde, nicht verurteilt und gilt nach wie vor als unschuldig. Die Geldstrafe in Hhe von 36.000 Euro, zu denen der Arzt im November 2021 verurteilt wurde, entfllt. Jetzt muss er nur noch eine Geldauflage in Hhe von 25.000 Euro zahlen. Davon sollen 12.500 Euro an einen Menschen gehen, der Anzeige erstattet hatte. Die restliche Summe soll an zwei gemeinntzige Einrichtungen gehen. Im juristischen Sinn ist das keine Strafe.

Gegenber dem «Spiegel» bezeichnete Nebenklger Michael Bucher die Einstellung des Verfahrens als «Sauerei». Ihm hatte das Amtsgericht Tiergarten im ersten Prozess geglaubt. Die Staatsanwaltschaft habe sich nicht mit ihm abgestimmt, er sei fr eine Fortfhrung des Prozesses gewesen. «Man kann niemandem ernsthaft raten, sich aufs deutsche Rechtssystem zu verlassen, wenn man so was erlebt», sagte Bucher. «Das finde ich schon erschtternd, und das htte ich vorher nicht gedacht.»

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Missbrauch in fnf Fllen vorgeworfen

Der Prozess gegen den #ArztOhneNamen hatte bundesweit fr Schlagzeilen gesorgt. Der heute 67-jhrige Inhaber einer sogenannten schwulen Kiezpraxis war am 1. November 2021 nach 22 Verhandlungstagen vom Amtsgericht Tiergarten wegen Missbrauchs eines Patienten zu einer Geldstrafe in Hhe von 36.000 Euro verurteilt worden (queer.de berichtete). Dagegen legten sowohl sein Anwaltsteam als auch die Staatsanwaltschaft Berufung ein (queer.de berichtete).

Dem Mediziner war ursprnglich in fnf Fllen vorgeworfen worden, gegen Paragraf 174c des Strafgesetzbuches verstoen zu haben. Dieser ahndet sexuellen Missbrauch unter Ausnutzung eines Behandlungsverhltnisses mit maximal fnf Jahren Haft. In der Verhandlung bestritt der #ArztOhneNamen die Vorwrfe, da alle Untersuchungen medizinisch notwendig gewesen seien. Er lie sich seit Prozessbeginn im April 2021 von drei Anwlt*innen verteidigen, die fr Freispruch pldierten.

Gericht sah Schuld des Arztes nur in einem Fall als erwiesen an

Ein Verfahren wurde noch whrend des Prozesses abgetrennt, weil die Nebenklgerin, eine trans Frau, aus psychischen Grnden nicht aussagen konnte. In einem Fall, bei dem es zwischen Arzt und Patient offenbar zu einvernehmlichem Sex in der Praxis gekommen war, pldierte auch die Staatsanwaltschaft fr Freispruch. In den anderen Fllen war sie von der Schuld des Angeklagten berzeugt und forderte eine Verurteilung zu elf Monaten Haft auf Bewhrung (queer.de berichtete).

Das erweiterte Schffengericht uerte jedoch Zweifel an den Aussagen von drei der vier mutmalichen Opfer und Nebenklger und urteilte in diesen Fllen zugunsten des Angeklagten. Nur bei einem Patienten sah es den Vorwurf des sexuellen Missbrauchs als eindeutig erwiesen an. Dabei hatte der Arzt whrend einer Analuntersuchung den Penis des Patienten bis zur Erektion stimuliert. Diese Handlung sei nicht in Einklang zu bringen mit einer medizinischen Untersuchung, so der Vorsitzende Richter in der mndlichen Urteilsbegrndung.

Neue Vorwrfe nach Prozessbeginn

Die angezeigten Vorflle liegen ber zehn Jahre zurck. Der Prozess sorgte vorab fr groes Aufsehen, weil der niedergelassene Mediziner mit HIV-Schwerpunkt ber Berlin hinaus bekannt ist und es Medienberichte zu weiteren Vorwrfen gegen ihn gab, gegen die er sich teils erfolgreich zur Wehr setzte (queer.de berichtete). Auch ein frherer Artikel, in dem queer.de eine Kombination aus Vornamen und dem ersten Buchstaben des Nachnamens nutzte, lie der spter in erster Instanz verurteilte Mediziner mit einer Einstweiligen Verfgung gerichtlich untersagen. Aus diesem Grund nennen wir ihn bis heute #ArztOhneNamen.

Nach Prozessbeginn berichteten Beratungsstellen von weiteren mutmalichen Opfern des 67-Jhrigen (queer.de berichtete). Als Experte fr Mpox war der Arzt in den vergangenen Jahren wieder ein begehrter Interviewpartner. Schwule Magazine aus Berlin drucken bis heute Werbung fr seine Praxis ab. (mize)