Queere Reise auf der Yellow Brick Road
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Queere Reise auf der Yellow Brick Road

Was haben der Hollywood-Musicalfilm «The Wizard of Oz» mit Judy Garland in der Hauptrolle des Mdchens Dorothy aus Kansas mit Queerness zu tun? Der in Berlin lebende Schriftsteller und Theaterautor Jrg Albrecht verrt es uns in dem anspielungsreich ironischen und in seinen Beobachtungen recht authentischen Hrspiel «Beyond the Rainbow».

Der WDR3 hat dieses vom Bayerischen Rundfunk produzierte und 2017 erstgesendete Hrspiel aus dem Archiv geholt und am letzten Samstag, dem IDAHOBIT, ins Sendeprogramm genommen. Keine schlechte Wahl. Wer es nachhren mchte, hat dafr bis Mitte Juni Gelegenheit und es lohnt sich, wie ich meine. Eine knappe Stunde dauert dieses fantasievolle, frech ironische, tiefgrndige, nachdenkliche und verblffend erhellende Hrstck.

Raus dem Schrankland

Klar, es geht wie immer im Leben und erst recht in Filmen, die darber handeln, auch wenn sie Mrchen erzhlen und musikalische Ohrwrmer produzieren wie «The Wizard of Oz» um die Frage von Identitt und Rolle, um die Frage des Gesehenwerdens und der Anerkennung. Wer wird gehrt und wer berhrt? Wie werde ich erkennbar und wie schlielich anerkennbar fr die anderen?

Jrg Albrecht geht dem in vielen kleinen Szenen wortspielerisch virtuos auf den Grund. Er lsst dazu vier Personen auftreten: Silvana, die trans Frau, Tom Cruising, den Dragking, Hayati Terzi, den deutschtrkischen Schwulen, der zum Katholizismus konvertierte, seine Lover herzlos links liegen lsst, sowie den afrodeutschen Brian Storm, der ber den Alltagsrassismus erzhlt und uns in den Darkroom fhrt, wo alle und alles Schwarz ist. In Anspielung auf Dorothys Hndchen Terry, das zu Toto wurde weist das Rollenverzeichnis schlielich noch den stummen Toto Richetti aus. Was die Genannten vereint, das sind die immergleichen Fragen des Outings, diesem emanzipativen Schritt raus dem Schrankland, dem sicheren Versteck, ins Offene, Ungeschtzte hinein.

Wie Dorothy und ihre Freunde sind auch das Personal aus Albrechts Hrspiel auf einer Reise: «Follow the Yellow Brick Road and you can’t go wrong.» Denn dort wo der Regenbogen ist, finden alle, was sie suchen, nmlich sich selbst. Und dort gibt es keine Einheitsfarbe wie in der Mehrheitsgesellschaft, die alles in Sepiabraun taucht, wie es in Anspielung auf die Kansas-Welt des Films an einer Stelle im Hrspiel heit.

Das Selbstironische kommt im Hrspiel nicht zu kurz

Doch die Yellow Brick Road ist das eine, die Realitt drumherum das andere, die in das queere Leben immer wieder rcksichtslos hereinbricht. Und Silvana wird dann mal eben brutal gefragt: «Was, sie wollen eine Frau sein? Rock hoch!» Da unterscheidet sich das Jahr 2017 nicht von 2025. Unsere genitalfixierte Geschlechterordnung verweigert nach wie vor die Yellow Brick Road. Das ist auch der Fall, wenn Silvana fr eine Personenstandsnderung vor Gericht steht und sie dabei die Angst begleitet, nicht genug Frau zu sein oder es einfach zu bertreiben. Wann bin ich authentisch, wann knstlich? Die Therapeutin meint, sie solle einfach natrlich wirken. Aber wann wirkt eine Frau natrlich?

Albrecht strt zu Recht die Illusion, als seien Gut und Bse so klar durch den Regenbogen unterscheidbar. Denn in den queeren Communitys strahlt lngst nicht nur die freundliche Sonne. Manchmal beleuchtet sie eine ziemlich dnnhutige Scheinwelt. Da brauchen wir dem Autor nur zur nchsten Klatschmohn-Party zu folgen. Auch das Selbstironische kommt im Hrspiel nicht zu kurz. Zum Glck.

Dorothy ein trans Star wie Caitlyn Jenner?

Auf jeden Fall funktionieren das Musical und die Queerness als die sich gegenseitig spiegelnden Parallelwelten perfekt. Dass Judy Garland zum Idol und zur Identifikationsfigur gerade fr schwule Mnner werden konnte, war Albrecht Grund genug, sich der Sache genauer anzunehmen, um dabei zu der gewagten These zu gelangen, Garlands Dorothy sei mindestens ein ebensolcher trans Star der Verwandlung wie Jahrzehnte spter die trans Frau Caitlyn Jenner. Es bleibt eine steile These, aber Identitt und soziale Rolle markieren nun mal das Spannungsfeld.

Zum Schluss eine kleine historische Anmerkung. Vor mehr als 40 Jahren ging dieses Hrspiel auf Sendung «Detective Andy und der Transvestitenmord». Am Wording merken wir allerdings, dass es aus einer anderen Zeit stammt. Geschrieben hatte es der US-amerikanische schwule Dramatiker Anthony Ingrassia, der Ende der 1970er Jahre eine Zeitlang in West-Berlin lebte und arbeitete. Tony, wie wir ihn nannten, bewegte sich in der damals noch ziemlich bersichtlichen queeren Community und arbeitete unter anderem mit der Glamrock- und Punkmusikerin Jayne County zusammen. Sein Kriminal-Hrspiel ist auf besondere Weise authentisch, denn darin wirken eine Reihe von West-Berliner trans Frauen mit Tara O’Hara, Marchesa, Dsire und Blanche. Ihre Originalstimmen machen das Hrspiel zum Zeitdokument. Zu hren sind sie bei YouTube.