QueerGrn-Sprecher: «Entweder wir sind solidarisch oder wir gehen unter»
Maik Babenhauserheide, Mitglied bei Bndnis 90/Die Grnen, ist seit vielen Jahren in der Kommunalpolitik und der bundes- und landesweiten Queerpolitik aktiv. Als Abgeordneter im Kreistag von Herford ist er stellvertretender Fraktionsvorsitzender seiner Partei. Auf bundespolitischer Ebene ist er Sprecher der Bundesarbeitsgemeinschaft (BAG) Schwulenpolitik und der Dachstruktur QueerGrn, auf landespolitischer Ebene Sprecher der Landesarbeitsgemeinschaft Queer.
Kurz vor den Kommunalwahlen in Nordrhein-Westfalen gab er uns ein persnliches Interview.
Mit welchen Erwartungen blickt Ihr denn auf die Kommunalwahlen in NRW? Sie gilt ja als wichtiger und mglicherweise richtungsentscheidender Stimmungstest auch fr die Bundespolitik
Ich kann kaum abschtzen, wie es am Sonntag ausgehen wird. Klar ist, dass diese Kommunalwahl in einer sehr anderen politischen Stimmung stattfinden wird als die letzte. Allerdings kann es berraschungen geben. Positive wie negative.
In Umfragen werden ja teils sehr starke Gewinne fr die AfD erwartet, etwa fr die einstige SPD-Hochburg Gelsenkirchen. Was knnte das fr die politische Stimmung in NRW bedeuten?
Vor einigen Tagen hatten wir den letzten Sozialausschuss des Herforder Kreistages in dieser Wahlperiode. Als es um die Frderung eines Projektes gegen Wohnungslosigkeit ging, hat sich die Vertreterin der AfD dagegen ausgesprochen. Sie meinte, dass man ja «endlich auch mal beim Sozialen sparen» solle. Das ist die Haltung dieser Partei. Das Schicksal von Menschen, die sie nicht als gleichwertig ansehen, ist ihnen nicht nur egal. Es wird als Last fr das Gemeinwohl dargestellt.
In vielen Rten wird es in diesem Herbst erstmalig eine AfD-Fraktion geben. Dort werden dann die Grenzen des Sagbaren verschoben. Die demokratischen Fraktionen werden lernen mssen, dagegen zu halten, ohne um die AfD zu kreisen. Zudem mssen wir erwarten, dass sie versuchen werden, demokratische Prozesse zu stren oder unmglich zu machen. Dagegen mssen unsere Institutionen gestrkt werden.
Ob das dazu fhrt, dass das Klima rauer wird oder die demokratischen Parteien sich dagegen solidarisieren, wird von den beteiligten Akteuren abhngen.
Welche Auswirkungen knnte das denn aber haben fr queere Menschen in NRW und fr Queerpolitik auch bundesweit? Es ist zwar eine Kommunalwahl, aber die NRW-Landesverbnde gelten ja wiederum traditionell als die mchtigsten und einflussreichsten etwa in der CDU, in der SPD und bei den Grnen, die Stimmung von dort wird also weitergetragen in das ganze Land
Es gibt viele queere Projekte, die von Kommunen untersttzt werden. Wir mssen befrchten, dass zuknftige Debatten um deren Fortsetzung oder auch neue Frderungen fr einen rechten Kulturkampf genutzt werden. So wird Stimmung gemacht, unter der Menschen leiden werden. Das kann auch dazu fhren, dass andere Fraktionen auf eine Stimmungslage reagieren und in Zeiten knapper Kassen die Frderung von queeren Jugendgruppen oder CSDs als berflssigen Luxus betrachten.
Eine Sache sollten wir aber nicht vergessen. Es gibt auch queere Menschen, die mit der AfD sympathisieren, sie whlen oder dort aktive Mitglieder sind. Die glauben, dass sie da als Feigenblatt nicht unter dem leiden wrden, was auf uns zukme, wenn diese Partei Macht bekommen wrde. Das ist natrlich ein Irrtum. Uns allen sollte klar sein, dass deren Menschenfeindlichkeit nicht vor uns Halt macht. Wenn die gegen andere Gruppen angehen, betrifft uns das auch.
Entweder wir sind solidarisch oder wir gehen unter.
Wrdet Ihr denn sagen, Deutschland befindet sich schon allgemein in einer Art Richtungswechsel hin zu autoritrer Politik gegenber Minderheiten? Dass die SPD bei der letzten Bundestags-Wahl ihre Traditions-Hochburgen im Ruhrgebiet so massiv an die AfD verloren hat, heit ja, dass Massen von Whler*innen von links nach rechts gewechselt sind.
Es ist ja ganz offensichtlich, dass der Raum um uns leerer wird. Wenn man sich nur ansieht, welche Unternehmen frher im Juni mit Regenbogenlogo fr sich geworben haben und jetzt in vorauseilendem Gehorsam Diversittsprogramme streichen, sieht man, dass der Zeitgeist weltweit nicht auf unserer Seite steht. Umso wertvoller sind alle Menschen, die immer noch Farbe bekennen. Aber das Problem ist nicht, was die AfD macht. Das Problem kommt, wenn demokratische Parteien glauben, dass es ihnen hilft, wenn sie denen hinterherlaufen. Es ist doch lngst bewiesen, dass das die Falschen strker macht.
Deswegen ist das Vorgehen von Julia Klckner gegen die Regenbogenfahne und wenn sie auch nur in den Abgeordnetenbros hngen so ein fatales Signal. Wenn man eine gelebte Praxis aus Grnden der Neutralitt wieder abschafft, ist das nicht neutral. Es ist eine Aussage. Und die lautet, dass die Rechte queerer Menschen dem Parlament als Ganzem gleichgltig sind und man keine Stellung bezieht. Das ist nur ein Beispiel dafr, wie Teile der Politik gerade glauben, eine besondere Hrte gegen Minderheiten zeigen zu mssen. Und das in einer Zeit, in der auch Gewalt wieder zunimmt.
Besonders leid tut es mir fr die Leute, die gerade im Coming-out sind. Die berwindung vor dem ersten CSD wird bestimmt grer, wenn man angegriffen werden knnte.
Aber was msste denn nach Eurer Meinung in der Queerpolitik von der Bundesebene bis hin zu den Kommunen umgesetzt und vorangetrieben werden, um die Rechte auch von Queers zu schtzen und einen weitergehenden Backlash zu verhindern?
Das Positive vorweg: Es ist gut, dass Schwarz-Rot wieder eine Queerbeauftragte eingesetzt hat. Ansonsten besticht der Koalitionsvertrag durch seine breiten Lcken. Wir brauchen eine Reform des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes. Das ist an vielen Stellen zu vage und lsst blinde Flecken zu. Auch die Reform des Abstammungsrechtes ist berfllig. Auf der Landesebene bin ich zuversichtlich, dass wir ein Landesantidiskriminierungsgesetz in NRW bekommen.
Ein wichtiger Punkt ist die Sicherheit von queeren Menschen und Veranstaltungen. Das heit, dass wir ein realistisches Bild vom Ausma des Problems bekommen und queerfeindliche Hasskriminalitt so gut es geht in allen Kriminalittsstatistiken dargestellt wird. Es braucht Kontaktpersonen innerhalb der Polizei, die es Opfern leichter machen, Hemmungen in Richtung Anzeige zu berwinden. Innerhalb der Sicherheitsbehrden sollten Sensibilisierungsschulungen ausgebaut werden. Um queeres Leben als Teil der Gesellschaft greifbar zu machen, gehrt es in den Lehrplan. Land und Kommunen sollten Angebote fr queere Jugendliche ausbauen.
Wichtig wre auch die Aufnahme von sexueller und geschlechtlicher Identitt in den Artikel 3 des Grundgesetzes. Gerade in dieser Zeit wre es ein starkes Zeichen, wenn die demokratischen Krfte gemeinsam diese Lcke schlieen und klarstellen wrden, dass es kein Zurck geben darf.
Wie wrdet Ihr denn die Situation von queeren Menschen in kleineren Orten beschreiben? In Kln oder Dsseldorf drfte die Situation etwa fr junge Queers weniger problematisch sein. Aber gibt es in kleineren Kommunen oder Orten zum Beispiel berhaupt Anlaufstellen oder Treffpunkte fr zum Beispiel Beratungen in schwierigen Lebenssituationen, Mobbing in der Schule und hnliches?
Das kann man so generell nicht sagen. Insgesamt ist die Situation in den letzten Jahren deutlich besser geworden. Es gibt auch in einigen kleineren Stdten queere Jugendgruppen oder Mglichkeiten der Vernetzung. Wir sind allerdings noch weit davon entfernt, ein flchendeckendes Angebot zu haben.
Sozialverbnde befrchten ja eine bevorstehende soziale Kahlschlagpolitik der Bundesregierung gegen die rmsten und Hilfebedrftigsten. War auch das ein Thema in den Wahlkmpfen vor Ort?
Das habe ich leider persnlich nicht wahrgenommen. Die Art der Debatte wrde eigentlich einen Aufschrei verdienen. Wenn der Kanzler behauptet, dass wir uns den Sozialstaat nicht mehr leisten knnten, verkauft er die Leute fr dumm. Gemessen am Bruttoinlandsprodukt ist er genauso teuer wie vor zehn Jahren. Auerdem ist er kein Luxus. Er hat einen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Mehrwert.
Am verwerflichsten an der Debatte finde ich, dass Sozialneid nach unten erzeugt wird. Personen im Niedriglohnsektor werden gegen Menschen ohne Beschftigung aufgehetzt. Dabei wird der Druck am Ende bei beiden Personengruppen ankommen.
Links zum Thema:
Homepage von Maik Babenhauserheide
Homepage von QueerGrn
