Sextests im Sport? Fnf Empfehlungen von Sylvia Schenk
Das Thema trans im Sport ist bekanntlich eines der groen Einfallstore fr Transfeindlichkeit und in jedem Fall ein Aufreger-Thema. Selbst innerhalb der Community fllt manchen nichts anderes als der terfige Verweis auf das sogenannte biologische Geschlecht ein. Als ob es darum gehe, cis Frauen vor den bsen trans Frauen zu schtzen, weil sie ihnen den Sieg und die Medaillen rauben wollen.
Dass dieses Thema kontrovers diskutiert wird, wre nicht das Problem. Aber es wird zum Problem, wenn Emotionen und Vorurteile mehr wiegen als Sachlichkeit. Dass es Regelungsbedarf gibt, darauf knnten sich wohl alle Seiten einigen, aber Ausschluss kann dabei nicht die Antwort sein und auch nicht das sogenannte biologische Geschlecht.
Umso erfreulicher, dass sich jetzt eine Juristin und ehemalige Leichtathletin in der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung» (Printausgabe vom 13. Oktober, online bislang nicht verfgbar) mit einem Gastbeitrag zu Wort meldet: «Pauschale Sextests sind keine Lsung». Denn endlich haben wir es mit einer Wortmeldung zum Thema Sport und Geschlecht im Allgemeinen sowie trans und inter im Besonderen zu tun, deren Argumente auf Verstand und Vernunft, auf Fachwissen und Praxiserfahrung beruhen.
Die Rede ist von Sylvia Schenk, Olympiateilnehmerin von 1972, die spter als Richterin am Arbeitsgericht arbeitete und seit 2014 die Arbeitsgruppe Sport bei der Organisation Transparency International Deutschland e.V. leitet.
Gravierende Folgen fr angebliche Nichtfrauen
Sie beginnt in dem ganzseitigen Artikel mit sehr persnlichen Erinnerungen an ihre Zeit als Sportlerin, als noch krperliche Untersuchungen durch Abtasten fr den Geschlechtstest blich waren, die dann 1968 durch Gentests abgelst wurden. Sie habe den Test erfolgreich bestanden mit dem amtlich besttigten Ergebnis: 100 Prozent Frau. Als sie Jahrzehnte spter Frauendezernentin in Frankfurt/Main wurde, war sie «bundesweit die einzige mit bestandenem Sextest».
Was sie hier ironisch erzhlt, ist in Wahrheit ein ernstes Problem im Sport, ernst deshalb, weil es die Wrde und das Recht eines Menschen betrifft:
Und so kam es auch sie nennt hier prominente Flle aus der olympischen Sportgeschichte wie die von Ewa Janina Klobukowska oder Maria Jos Martinez Patio. Chromosomen-Variationen sagen fr sich eben noch nichts ber die Weiblichkeit oder Nicht-Weiblichkeit aus. Und wir sprechen hier, um das zu betonen, von cis Frauen.
Der kurze Sieg der Vernunft
Der Protest der Athleten-Kommission des IOC zeigte tatschlich Wirkung. 1999 beschloss das IOC das Ende der pauschalen Tests. Danach gab es nur noch Einzelfallprfungen.
Die Diskussion hielt indes an und fhrte 2015 schlielich zu der erfreulichen und aus heutiger Sicht fast revolutionr zu nennenden Entscheidung, dass das IOC sich von der Vorgabe einer Geschlechtsangleichung bei trans Frauen verabschiedete und schon die Einnahme von weiblichen Hormonen fr ausreichend erklrte unter Bercksichtigung eines definierten Hormonspiegels. Doch ganz so einfach lief dies nicht, denn nun fhrten die festgelegten Werte zu teils schwerwiegenden Gesundheitsproblemen bei intergeschlechtlichen Frauen.
Kulturkampf statt Menschenrechte
Wir sehen daran nicht nur, wie komplex das Thema Geschlecht und Sport tatschlich ist und dass es hier eben nicht um einen brachial gefhrten Kulturkampf la Trump gehen kann, sondern dass es am Ende um menschenrechtliche Fragen geht. Das zumindest anerkannte das IOC und gab den internationalen Verbnden 2021 schlielich «Rahmenprinzipien zu Fairness, Inklusion und Nichtdiskriminierung in Bezug auf Genderidentitt und Geschlechtsvariationen» an die Hand.
Leider fhrten all diese Bemhungen nicht zu einer Befriedung der Situation. Torpediert wurden sie zuletzt durch Donald Trumps Politik, die wissenschaftliche Erkenntnisse ignoriert und das schwierige Thema endgltig auf die schiefe Ebene fhrte, wie Sylvia Schenk schreibt. Fatal, dass dabei auch nicht zwischen trans und inter unterschieden wird. Die Folge ist aktuell ein «Regulierungswirrwarr», der nun wieder zu verpflichtenden genetischen Geschlechtstests fhrte und die auf diese Weise wieder offenen Fragen in die nationalen Verbnde brachten, die sich jedoch wegducken wrden, wie Schenk meint.
Fnf Empfehlungen fr eine Positionierung des deutschen Sports
Die Autorin beschliet ihren Artikel mit fnf Empfehlungen, denn unsere Rechtsordnung biete sehr wohl «den Rahmen fr Eckpfeiler einer Positionierung des deutschen Sports» und das sind:
Erstens sollte es grundstzlich keinen Ausschluss aus dem Freizeit- und dem nationalen Wettkampfsport geben. Verhltnismigkeit und Fairness sind die entscheidenden Prinzipien. Darauf lasse sich aufbauen.
Zweitens bedarf es einer Offenheit fr knftige Erkenntnisse. Wie sich Transition und sportliche Leistung zueinander verhalten, muss individuell und abhngig von den jeweiligen Disziplinen entschieden werden.
Drittens: «Ein Gentest darf nur bei Freiwilligkeit erfolgen. Es bestehen erhebliche Zweifel an der Freiwilligkeit, wenn ein Sextest Voraussetzung fr Startberechtigung ist.» Das rechtliche Risiko von Stigmatisierung und Verletzung des Offenbarungsverbots, wie es das Selbstbestimmungsgesetz vorgibt, bleibt zu klren.
Viertens: Schenk verlangt umfassende Aufklrung und psychologische, medizinische und rechtliche Beratung im Fall von Gentests.
Fnftens bedarf es der internationalen Solidaritt, um in allen Lndern die gleichen Standards bei Aufklrung und Beratung zu erreichen.
Dem muss hier wohl nichts hinzugefgt werden allenfalls der Wunsch, dass die Debatte mit mehr Sachlichkeit gefhrt wird. Sylvia Schenk gibt dafr jedenfalls eine passende Vorlage.
