Supreme Court: Bundestaaten knnen Behandlungen von trans Jugendlichen verbieten
Das Oberste Gericht der USA hat sich in einem am Mittwoch verffentlichten Urteil (U.S. v. Skrmetti, PDF) hinter die transfeindliche Politik der Republikaner gestellt. Mit sechs zu drei Stimmen entschied der Supreme Court in einem Grundsatzurteil, das ein Gesetz aus dem Bundesstaat Tennessee zum Verbot geschlechtsbejahender Behandlungen bei Minderjhrigen keinen Versto gegen die Verfassung darstellt.
Die Klger hatten in dem Gesetz einen Versto gegen die Gleichbehandlungsklausel im 14. Zusatzartikel zur Verfassung der Vereinigten Staaten gesehen, konkret eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts und der Geschlechtsidentitt. Die konservative Richtermehrheit folgte dieser Argumentation nicht: Das Gesetz ziele auf Behandlungsfragen, nicht auf Identitten, und sei daher nur bedingten und einfachen juristischen Abwgungen zugngig.
Die drei liberalen Richterinnen hinterlieen abweichende Meinungen. So schrieb Sonia Sotomayor, durch die eingeschrnkte Herangehensweise des Gerichts («rational basis» statt strengerer Prfungsgrundlage) lasse das Gericht ein Gesetz passieren, «das eindeutig aufgrund des Geschlechts diskriminiert». «Indem sich das Gericht einer sinnvollen juristischen berprfung genau dort entzieht, wo es am wichtigsten ist, berlsst es trans Kinder und ihre Familien politischen Launen.» Der Gleichbehandlungsklausel werde irreparabler Schaden zugefgt.
Verbote in fast der Hlfte der Bundesstaaten
Im Rahmen eines nicht nur in den USA gefhrten politischen Kulturkampfes haben in den letzten Jahren ber zwanzig republikanisch gefhrte Bundesstaaten die medizinische Versorgung von minderjhrigen trans Personen verboten. Durch das Urteil knnten diese Regelungen nun endgltig Bestand haben, obwohl alle greren medizinischen Organisationen sich gegen die Verbote ausgesprochen haben. Das Urteil bedeutet zugleich kein automatisches Verbot der Behandlungen in den brigen Bundesstaaten.
Das im Februar 2023 in Tennessee erlassene Gesetz untersagt etwa die Abgabe von Puberttsblockern oder Hormontherapien an Jugendliche. Begonnene Behandlungen waren zudem sptestens neun Monate nach Inkrafttreten des Gesetzes abzubrechen. Das Gesetz sieht zivilrechtliche Klagemglichkeiten fr die behandelten Personen, ihre Eltern und das regionale Justizministerium gegen rzte, Eltern und andere Personen vor. Medizinisches Personal kann auch die Zulassung verlieren.
Nachdem ein einzelner Bundesrichter das Inkrafttreten des Gesetzes zunchst gestoppt hatte, besttigte der Sixth Circuit Court of Appeals, die nach Regionen aufgeteilte Berufungsinstanz auf Bundesebene, das Gesetz und ein weiteres aus Kentucky zunchst im Eilverfahren und dann auch inhaltlich. Beides landete vor dem Supreme Court, der vor rund einem Jahr entschied, den Fall aus Tennessee in der Version einer Beschwerde des damaligen US-Justizminsteriums unter Prsident Joe Biden anzunehmen (queer.de berichtete). Neben ihm hatten drei trans Jugendliche und ihre Eltern sowie ein medizinischer Dienstleister die Klagen eingebracht.
Im April 2024 hatte der Supreme Court bereits entschieden, dass ein entsprechendes Gesetz in Idaho in Kraft treten kann (wo Mediziner*innen, die trotzdem trans Jugendliche behandeln, eine Gefngnisstrafe von bis zu zehn Jahren droht). Das Gericht entschied damals allerdings nicht ber die Verfassungsmigkeit des Gesetzes, sondern hob eine Blockade des Inkrafttretens whrend des weiter laufenden Verfahrens auf.
Reaktionen: Kinder im Stich gelassen
«Das Gericht hat heute seine Aufgabe nicht erfllt», sagte Jennifer Levi, Leiterin der Abteilung fr Trans- und Queer-Rechte bei GLAD Law, in einer ersten Reaktion nach dem Urteil. «Wenn das politische System zusammenbricht und die Gesetzgeber sich der Feindseligkeit der Bevlkerung beugen, muss die Justiz das Rckgrat der Verfassung sein. Stattdessen hat sie sich entschieden, wegzuschauen und damit sowohl schutzbedrftige Kinder als auch die Eltern, die sie lieben, im Stich zu lassen. Kein Elternteil sollte gezwungen sein, sein Kind leiden zu sehen, whrend bewhrte medizinische Versorgung wegen der Politik unerreichbar bleibt.»
Shannon Minter vom National Center for LGBTQ Rights sagte, das Urteil «berlsst Transgender-Jugendliche und ihre Familien politischen Angriffen». Entscheidungen ber die Gesundheitsfrsorge sollten den Familien und nicht den Politikern obliegen. «Dieses Urteil wird echten Schaden anrichten».
«Ich kmpfe gegen dieses Gesetz, weil ich wei, wie wichtig die Versorgung fr zehntausende von trans Jugendlichen wie mich ist», hatte 2023 das damals 15-jhrige trans Mdchen L.W. zur ersten Klage gegen das Gesetz in Tennessee gesagt. Sie und ihre Familien wurden dabei von der Brgerrechtsorganisation American Civil Liberties Union (ACLU) untersttzt. «Der Gedanke, dass ich die Medikamente verlieren knnte, die ich brauche, macht mir Angst. Und wenn dieses Gesetz in Kraft bleibt, muss meine Familie mglicherweise Tennessee verlassen: den Ort, an dem ich mein ganzes Leben lang gelebt und den ich geliebt habe.» (cw)
