Unhappy Pride: Warum ich dieses Jahr nicht einfach feiern kann
Ich darf fr diesen Gastbeitrag etwas tun, was nicht selbstverstndlich ist. Ich schreibe ihn im Rahmen einer Kooperation mit queer.de. Eigentlich sollte es in diesem Text um unsere queere Karrieremesse STICKS & STONES gehen, die am Samstag in Berlin stattfindet. Ich htte also darber schreiben knnen, wie wichtig Netzwerke sind, welche Unternehmen sich fr queere Mitarbeitende ffnen, wie Vielfalt im Arbeitsleben mglich wird. Und ja, ich freue mich sehr auf diesen Tag. Aber ich merke, ich kann gerade keinen Text schreiben, der einfach nur einldt oder feiert.
Denn so sehr ich mich auf Samstag freue, etwas fhlt sich anders an. Und ich will nicht so tun, als wre alles wie immer. Ich gehe auch dieses Jahr wieder zum CSD. Aber nicht mit der Leichtigkeit frherer Jahre. Ich gehe mit einem mulmigen Gefhl. Weil ich in den letzten Monaten viel zu oft von bergriffen gehrt habe. Weil ich queere Menschen kenne, die verfolgt wurden, die sich nicht mehr trauen, ffentlich Zuneigung zu zeigen, die in Gesprchen leiser geworden sind. Ein Satz hat sich besonders eingebrannt. Ein Freund von mir wurde auf der Strae angebrllt: «Euch htte man frher vergast.» Nicht in Russland, nicht in Polen, sondern in Berlin. Und ich spre, wie sich etwas verschiebt. Langsam, aber sprbar. Die Hemmschwellen sinken, die Gewalt nimmt zu und das Schweigen wchst mit.
Die Verunsicherung nimmt zu
Ich selbst habe vor ein paar Monaten in einem Interview gesagt, dass es queeren Menschen heute besser geht, dass wir Fortschritte gemacht haben. Und ja, die gibt es. Aber ich muss ehrlich sagen, ich habe mich getuscht, oder besser gesagt, ich wollte es nicht sehen. 2023 wurden ber 1.500 queerfeindliche Straftaten in Deutschland erfasst. Die Dunkelziffer liegt deutlich hher. Gleichzeitig ziehen sich viele Unternehmen zurck, aus Angst vor Shitstorms, aus Unsicherheit oder weil sie glauben, sie htten ihren Beitrag lngst geleistet.
Diese Unsicherheit macht nicht vor dem Arbeitsplatz halt. Ich hre von queeren Mitarbeitenden, die sich wieder verstecken, die berlegen, ob sie sich outen sollen, die nicht wissen, ob ihr Arbeitgeber hinter ihnen steht, wenn es ernst wird. Und genau deshalb ist STICKS & STONES fr mich mehr als eine Messe. Keine Parade, kein Straenfest, aber ein Raum, der queeres Leben sichtbar macht. Ein Raum, in dem man sich nicht erklren muss, in dem queere Identitt selbstverstndlich ist. Und das ist politisch. Gerade jetzt.
Auch dort spren wir die gesellschaftliche Spannung. Auch dort fragen sich Menschen, kann ich hier wirklich ich selbst sein. Ich habe dieses Jahr zum ersten Mal bei der Polizei angerufen, um zu erfahren, ob es Hinweise auf Bedrohungen fr unsere Veranstaltung gibt. Das htte ich frher nicht gemacht. Heute schon. Ich sage das nicht, um Angst zu machen, sondern um ehrlich zu sein. Pride war nie ein Festival. Pride war nie nur laut, bunt und frhlich. Pride war immer politisch, immer widerstndig, immer unbequem. Und genau deshalb werde ich auch dieses Jahr da sein. Auf der Strae. Und auf der Messe.
Dieser Pride ist nicht frhlich aber er ist notwendig
Ich will sichtbar bleiben. Fr die, die nicht knnen. Fr die, die Angst haben. Fr die, die allein sind. Und ich wnsche mir, dass wir uns in dieser Sichtbarkeit gegenseitig strken.
Was ich mir wnsche? Dass wir uns nicht an diese Klte gewhnen, dass wir nicht aufhren, laut zu sein, dass Unternehmen nicht nur im Juni Farbe bekennen, sondern in ihrer Kultur, dass Allies nicht schweigen, wenn es unbequem wird. Und dass wir uns gegenseitig daran erinnern, warum wir diesen Weg berhaupt gehen.
Ich htte gern einen anderen Text geschrieben. Einen ber Leichtigkeit, Freiheit, Chancen. Vielleicht schreibe ich den wieder nchstes Jahr. Aber dieses Jahr ist das hier mein Text. Und mein Protest. Denn dieser Pride ist nicht frhlich. Aber er ist notwendig. Und die Sichtbarkeit, die wir in Rumen wie STICKS & STONES schaffen, ist Teil davon. Gerade jetzt.
Links zum Thema:
Homepage zur STICKS & STONES
Stuart Bruce Cameron auf Instagram
