Warum Ketamin keine harmlose Droge ist
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Warum Ketamin keine harmlose Droge ist

«Friends»-Star Matthew Perry lie sich vor seinem Tod immer wieder Ketamin injizieren, und um den Ketamin-Konsum von Tech-Milliardr Elon Musk wurde zuletzt wieder angeregt diskutiert. Die schon seit Jahrzehnten verfgbare Substanz hat in den vergangenen Jahren nicht nur in Promi-Kreisen, sondern auch in der Clubszene und Teilen der schwulen Community extrem an Beliebtheit gewonnen. Einer Studie in Berlin zufolge war sie schon vor sechs Jahren die am vierthufigsten genutzte Clubdroge, wie Felix Betzler von der Charit in Berlin sagt. «Seither hat Ketamin noch mal an Popularitt gewonnen.»

Zu den Faktoren zhlten leichte Verfgbarkeit, ein vergleichsweise niedriger Preis und der erzielte Effekt, erklrt Betzler, Facharzt fr Psychiatrie und Psychotherapie. Verstrkend wirke, dass Ketamin in der Popkultur thematisiert wird. Im Song «Special K» von Placebo, «Space Kitten» von The Polish Ambassador und «Get Ready for the K-Hole!» von Kissy Sell Out zum Beispiel.

Hinzu kommt der Promi-Faktor. Musk erklrte, Ketamin helfe dabei, aus dunklen psychischen Lchern herauszukommen. In einem Interview erzhlte er 2024, dass er etwa alle zwei Wochen eine kleine Menge Ketamin nehme. Auf einen kritischen Medienbericht hin erklrte er dann krzlich, die Substanz seither nicht weiter genutzt zu haben.

Tatschlich wird Ketamin in zahlreichen klinischen Studien auf seine Wirksamkeit bei Depressionen geprft. Bereits zugelassen ist in der EU und den USA der Ketamin-Ableger Esketamin zur Notfallbehandlung therapieresistenter Depressionen, verabreicht als Nasenspray unter rztlicher Aufsicht. Dass die Substanz als Medikament und damit als sicher wahrgenommen werde, sei ein weiterer Faktor fr die verstrkte Popularitt, sagt Betzler.

Woher kommt Ketamin?

Der Wirkstoff wird synthetisch hergestellt, erstmals 1962 in den USA bei der Suche nach einem neuen Narkosemittel. Im Vietnamkrieg wurde Ketamin an amerikanischen Soldaten erprobt und etablierte sich danach in der Human- und Tiermedizin. Wegen der Nebenwirkungen Halluzinationen und Nahtoderfahrungen kommt es heutzutage kaum noch als Narkosemittel zum Einsatz, Rettungskrfte verwenden es aber als Schmerzmittel.

Als Rauschdroge wird Ketamin ebenfalls schon seit Jahrzehnten genutzt. Die auch «Special K» oder «K» genannte Substanz wird meist als weies Pulver geschnupft, wie Betzler erklrt. Die Wirkung hlt dann ein bis zwei Stunden an. Aufgrund der schmerzreduzierenden Wirkung wird Ketamin auch von Menschen konsumiert, die sich fisten lassen.

Welchen Effekt erhoffen sich Konsument*innen?

Als Partydroge wird Ketamin gerade wegen seiner euphorisierenden und dissoziativen Wirkungen genutzt. Die Wahrnehmung der Umgebung etwa von Farben und Geruschen werde bei steigender Dosis massiv verndert, erklrt Ingo Schfer von der Klinik fr Psychiatrie und Psychotherapie am Universittsklinikum Hamburg-Eppendorf. Typisch sei zudem ein Gefhl der Loslsung vom eigenen Krper oder einer Auflsung des Ichs, in starker Ausprgung K-Hole genannt. Auf Betrachter wirke der Zustand hufig wie Bewusstlosigkeit.

Sehen Nutzer*innen Ketamin als harmloser an als es ist?

Vielfach ja, wie Expert*innen sagen. Grund sei die etablierte medizinische Nutzung. «Immer wenn eine Substanz auch zu therapeutischen Zwecken verwendet wird, kann das das Problembewusstsein vermindern», sagt Betzler. Auch Schfer ist berzeugt: «Es besteht die Gefahr der Verharmlosung durch den therapeutischen Einsatz.»

In einer britischen Studie gab ein groer Teil der Konsument*innen mit einer sogenannten Ketamin-Konsumstrung an, sich der Suchtgefahr erst bewusst geworden zu sein, als ihr Ketamin-Konsum bereits auer Kontrolle geraten war. Viele erklrten, dass die zunehmende Erprobung als therapeutisches Mittel womglich das Missbrauchspotenzial verschleiert habe, wie es im Fachjournal «Addiction» heit.

Wie gro ist das Suchtpotenzial?

Das bei weitem hufigste Konsummuster sei, Ketamin gelegentlich in der Freizeit oder bei Partys zu nehmen, sagt Schfer, Direktor des Zentrums fr Interdisziplinre Suchtforschung (ZIS) der Universitt Hamburg. Anders als etwa bei Heroin oder Fetanyl entstehe durch Ketamin keine krperliche Abhngigkeit. Psychisch allerdings knne das Verlangen immens sein, immer wieder zu konsumieren. «Oft geht es darum, belastenden Gefhlen zu entkommen.»

Gerade weil die Substanz auch im Rahmen begleiteter Therapien verwendet werde, nutzten sie viele Menschen als Selbstmedikation bei psychischen Problemen, sagt auch Betzler. «Das schleicht sich immer mehr in den Alltag ein, weil es zum Beispiel ngste nimmt. Hufig entsteht so eine Abhngigkeit.»

Schfer rt Menschen, die Ketamin therapeutisch testen mchten, sich unbedingt in eine Sprechstunde zu begeben und nicht selbst herumzuprobieren. «Selber zu experimentieren, ist bei Psychedelika nie eine gute Idee.»

Welche Folgen hat Ketamin-Konsum?

Ketamin-Abhngigkeit ist mit einem hohen Ma an krperlichen Gesundheitsproblemen und psychischen Folgen verbunden, wie das Team um Celia Morgan von der Universitt Exeter in «Addiction» erlutert. Die einbezogenen 274 Menschen hatten demnach im Mittel zwei Gramm Ketamin pro Tag konsumiert.

Bei 60 Prozent traten Blasen- oder Nasenprobleme auf, hnlich viele berichteten ber Bauchkrmpfe die die Betroffenen hufig dazu veranlassten, erneut zur Droge zu greifen, um die Schmerzen zu lindern. Typisch fr anhaltenden Ketamin-Missbrauch ist demnach die sogenannte Ketamin-Blase: Die Substanz zerstrt die Blasenwand, was zu Inkontinenz und im Extremfall dazu fhren kann, dass die Blase entfernt und der Urin in Beuteln aufgefangen werden muss.

Eine Ketamin-Blase knne schon nach wenigen Wochen starken Konsums entstehen, sagt Betzler. Lngerfristig drohten zudem erhebliche kognitive Beeintrchtigungen wie Konzentrations- und Gedchtnisstrungen, ergnzt Schfer. Vor allem bei Menschen mit entsprechender Veranlagung knnten zudem depressive Symptome verstrkt oder Psychosen ausgelst werden.

Ketamin-Konsum kann zu Atemstillstand fhren

Im Rauschzustand knne die Droge zu impulsiverem Verhalten fhren. Urteilsvermgen und Selbstkontrolle werden vermindert, die Risikobereitschaft erhht mit aggressiven Auseinandersetzungen oder Unfllen als mgliche Folgen. Gerade bei Mischkonsum mit anderen Drogen sind ber den Einfluss auf das Atemzentrum lebensbedrohliche Zustnde wie Atemstillstand oder Bewusstlosigkeit mglich.

Zur akuten Gefahr kann auch die zeitweise stark eingeschrnkte Bewegungsfhigkeit werden. «Man kann bis zu sechs Stunden lang weitgehend bewegungsunfhig sein», erklrt Schfer. Badewanne und Ketamin-Konsum seien deshalb keine gute Kombi: Der aus der Serie «Friends» bekannte US-Schauspieler Matthew Perry hatte bei seinem einsamen Tod im Whirlpool im Oktober 2023 eine hohe Ketamin-Konzentration im Blut.

«Ketamin ist keine harmlose Droge», betont Schfer. «Auch Langzeitkonsum allein zum Freizeitvergngen ist schon hochriskant.» Das gelte noch einmal strker fr junge Menschen, bei denen die Hirnreifung noch nicht abgeschlossen sei.

Mehr Aufklrung ist ntig auch, weil die Zahl junger Konsument*innen wohl zunimmt: Nach seinem Eindruck verjnge sich der Kreis der Nutzer*innen seit einiger Zeit, sagt Betzler. Frher sei Ketamin vorwiegend ab etwa Mitte 20 konsumiert worden, wie seine Studie zeigte heute sei das vermutlich oft weitaus frher der Fall. Belastbare aktuelle Zahlen dazu gebe es bisher nicht. (cw/dpa)