Was war gut am 19. Jahrhundert, Cynthia Nixon?
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Was war gut am 19. Jahrhundert, Cynthia Nixon?

Schon 1984 standen Christine Baranski und Cynthia Nixon gemeinsam in New York auf der Theaterbhne und spielten in Tom Stoppards Stck «The Real Thing» Mutter und Tochter. Inzwischen gehren die beiden lngst zu den erfolgreichsten Serienschauspielerinnen berhaupt: whrend die lesbische Emmy-Gewinnerin Nixon als Miranda Hobbes in «Sex and the City» und aktuell «And Just Like That» berhmt wurde, gewann Baranski bereits 1995 fr die Sitcom «Cybill» den Emmy und spielte spter sowohl in «The Good Wife» als auch im Ableger «The Good Fight» die legendre Anwltin Diane Lockhart.

In der Historienserie «The Gilded Age» von «Downton Abbey»-Macher Julian Fellowes spielen die beiden nun Schwestern. Anlsslich der dritten Staffel, die aktuell bei Sky und Wow zu sehen ist, sprachen wir mit ihnen im Interview.

Ms. Nixon, Ms. Baranski, in der neuen Staffel von «The Gilded Age» ist die Dynamik zwischen den von Ihnen gespielten Schwestern Ada und Agnes pltzlich komplett auf den Kopf gestellt. Eine ziemliche Umstellung, oder?

Baranski: Oh ja. Vor allem fr die arme Agnes. Sie ist immer die Hausherrin, die Bestimmerin und die Autorittsfigur. Jetzt ist sie es pltzlich nicht mehr und kann sich damit eher schwer arrangieren. Fr uns als Schauspielerinnen war diese Umkehr ein groer Spa, denn wenn eine Knigin vom Thron kippt, ist das natrlich immer Stoff fr eine gute Geschichte.

Nixon: Als ich die Rolle damals annahm, htte ich diese Entwicklung nie erwartet. Fr mich war Ada immer die nette Zurckhaltende, die sich damit arrangiert hat, die zweite Geige zu spielen. So wie es die ganze erste Staffel ber ja auch war. Dass die Drehbcher dann eine Heirat fr sie vorsahen, war schon die erste groe berraschung. Und dass dieser neue Ehemann dann ganz schnell stirbt und sie pltzlich reich und ihrerseits die Hausherrin ist, dann die noch viel grere. Fr Ada ist diese neue Position so aufregend wie furchteinflend, und natrlich macht sie viele Fehler. Whrend Agnes nicht selten kopfschttelnd danebensteht. Nichts ist langweiliger, als wenn eine Beziehung sich nie verndert, deswegen hoffe ich, dass das Publikum an der neuen Konstellation genauso viel Vergngen findet wie Christine und ich.

Leben wir eigentlich in einem Goldenen Zeitalter, was komplexe Serienrollen fr Frauen angeht, gerade mit Blick auf Schauspielerinnen ab einem gewissen Alter?

Baranski: Das kann man sicherlich so sagen. Es ist ja wirklich noch relativ neu, dass wirklich interessante Rollen fr Schauspielerinnen aller Altersklassen und Hautfarben geschrieben werden. Endlich reprsentiert das Fernsehen die Diversitt und Vielfalt unserer Gesellschaft auch in der Besetzung der Serien. Und das ist wichtig, denn von allen Kunst- und Kulturformen haben Serien sicherlich die grte Reichweite und damit auch den grten Einfluss.

Nixon: Wobei man dazu sagen muss, dass das Fernsehen immer schon besser war als das Kino, was interessante Hauptrollen fr Frauen angeht. Denken Sie nur an «I Love Lucy» oder spter Serien wie «Julia» mit Diahann Carroll oder «Maude» mit Bea Arthur. Fernsehen war von der Gre ber die Themen bis zum Anspruch immer kleiner und huslicher als das Kino, deswegen wurden Frauen dort schon frher in den Fokus genommen. Wenn auch natrlich in der Tat lange nicht in der Vielfalt, die wir heute endlich verstrkt sehen, von Herkunft und Alter bis zur sexuellen Orientierung.

Sie beide waren oder sind mit «Sex and the City» und «And Just Like That» bzw. «The Good Wife» und «The Good Fight» auch Teil von Serien, die sehr modern und hip waren, den Zeitgeist geprgt und TV-Geschichte geschrieben haben. Worin liegt im Gegensatz dazu der Reiz einer eher gediegenen Kostmserie wie «The Gilded Age»?

Baranski: Ich hatte schon ewig Lust, in einer historischen Rolle vor der Kamera zu stehen, denn die hatte ich schon eigentlich immer nur am Theater gespielt. Was den Zeitgeist angeht: den wrde ich «The Gilded Age» gar nicht unbedingt absprechen. berlegen Sie nur mal, was fr eine Welt wir in der Serie sehen. Sie spielt in einer Zeit, in der megareiche Industrielle die Welt verndern, in der Korruption und Unruhen ebenso wachsen wie die Einkommensgleichheit und andere gesellschaftliche Sorgen. Das kommt einem heute doch recht vertraut vor, oder?

Nixon: Mich hat auerdem von Anfang fasziniert, wie viel in der Serie ber die Geschichte New Yorks und Amerikas erzhlt wird. In den USA sind wir ja immer sehr auf die Gegenwart und die Zukunft fokussiert und nicht sonderlich gut darin, uns mit unserer Vergangenheit auseinanderzusetzen. Dabei wrde uns das ziemlich guttun, denke ich. Gerade wenn man, wie Christine gerade schon anmerkte, erkennt, wie viele der Themen von damals uns heute immer noch beschftigen.

Gibt es denn irgendetwas aus dem spten 19. Jahrhundert, von dem Sie sich wnschten, es wrde heute noch existieren?

Baranski: Definitiv nicht die Kleidung. Aber vielleicht die guten Manieren. Und die Tatsache, dass die Leute damals noch nicht so schnell und vor allem so laut gesprochen haben. Irgendwie gab es damals mehr Anstand und Zurckhaltung seinen Mitmenschen gegenber. Selbst wenn man sich gehasst hat, ging das nicht automatisch mit vlliger Respektlosigkeit einher.

Nixon: Man muss die Sache auch nicht schnreden. Natrlich gab es damals viele Regeln und Normen, die schlicht ungerecht waren. Das sieht man in der neuen Staffel am Beispiel von Aurora Fane, die gegen ihren Willen zu einer geschiedenen Frau und damit schlicht aus der Gesellschaft verstoen wird. Aber aus unserer heutigen Gegenwart, in der wir in einem Amerika leben, wo sich unsere eigene Regierung nicht an Gesetze hlt, sehne ich mich doch ein wenig nach einer Zeit, in denen man sich einig zu sein schien, dass Gesetze wichtig sind und man sie befolgen sollte.

Baranski: Dass man das heute berhaupt dazu sagen muss, frappiert mich immer noch.