Ungeschminkt: Ren Koch setzt Hildegard Knef ein queeres Denkmal
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Ungeschminkt: Ren Koch setzt Hildegard Knef ein queeres Denkmal

Schon am Miniaturformat lsst sich erkennen, dass es sich nicht um eine Biografie mit dem Anspruch auf Vollstndigkeit handelt. «Meine Freundin Hildegard Knef» (Amazon-Affiliate-Link ): So lautet der Titel des Bchleins, das nicht grer ist als der Spiegel eines Schminkkoffers und auf den ersten Blick wie ein Daumenkino daher kommt. Doch trotz des Formats hat es das Bndchen in sich. So enthlt es auf knapp ber 120 Seiten nicht nur eine Reihe bislang unverffentlichter Fotos die Knef mit Lockenwicklern und Fluppe im Mund, oder etwa beim Knuddeln mit der nach ihr benannten Rassehndin «Hilde»-, sondern auch sehr persnliche Texte, die einen durchaus queeren und gleichwohl unverstellten Blick auf die Diva offenbaren.

Die Buchstaben auf dem Umschlag leuchten in knalligem Pink, als htte sie Ren Koch mit einem Lippenstift aus den 1980er Jahren aufgemalt. Er war der Visagist der Diva, die in diesem Jahr ihren 100. Geburtstag feiern wrde. Aus diesem Anlass hat er seine Erinnerungen an sie aufgeschrieben: einerseits aus der Perspektive des knstlerischen Beraters, andererseits aber auch als «Gesprchspartner, Seelentrster und Beichtvater», wie es im Klappentext heit und als bester schwuler Freund.

Knef-Gedenkort in Kochs Lippenstiftmuseum

Ren Koch betreibt im Berliner Stadtteil Wilmersdorf seit Jahren sein Lippenstiftmuseum, in dem der Nachlass von Hildegard Knef einen wichtigen Raum einnimmt. Frher ging sie hier ein und aus, und auch nach ihrem Tod lebt sie dort als unvergngliche Diva weiter: Koch hat ihr zu Ehren einen ganz speziellen Gedenkort eingerichtet. In einer Ecke ruht eine Koffertruhe. Diese erinnert an den von ihr besungenen Koffer, den sie den Textzeilen zufolge stets in Berlin lie, wohin auch immer es sie zwischenzeitlich verschlug. Und auch jener Stuhl, auf dem sie einst Platz nahm, um sich von dem Mann ihres Vertrauens das Gesicht pudern und die so typischen langen Wimpern ankleben zu lassen, steht nach wie vor an derselben Stelle.

Unvergessen bleibt, wie die Ur-Berlinerin mit schnodderig-tiefer Stimme ihre selbstgetextete Coverversion von «The Lady is a Tramp» zum besten gab: «Ich glaub, ’ne Dame werd› ich nie». Doch zumindest uerlich gelang ihr durchaus die Illusion einer solchen dank des knstlerisch-kreativen Einsatzes von Ren Koch: «Haare aufdrehen, Gesichtspackung auftragen, Augenbrauen zupfen». Die wundersame Transformation zur Lady erinnert beinah an das Vorspiel einer Drag Performance eine Prozedur, die sie in ihrem Roman «So nicht!» minutis schildert, wobei sie ihrem Visagisten ein Pseudonym verpasst: «Raimund heit er, er wedelt herein. Overall, Reiverschluss bis zum gebrunten Bauchnabel geffnet, schleppt er zwei Krokodilledertaschen, in denen sich Schminktpfe stapeln, fliegt, dennoch kaum den Boden berhrend, ins Wohnzimmer, kreischt: ‹Hallo, hallchen›, schiebt mich kurzerhand ins Bad, blickt strafend.» ‹Du siehst aus wie Ida Putenschlund.'» Ren Koch findet, Hilde habe ihn damit «sehr treffend» beschrieben.

Viele kaum bekannte Anekdoten

Viele Anekdoten, die Ren Koch in seinem Buch beschreibt, drften den meisten unbekannt sein, zumindest aus seinem Blickwinkel, der sich durch Ironie und mitunter auch bertreibung auszeichnet. Kstlich ist etwa jener Vorfall, bei dem sich Ren Koch bei Hilde Ohrringe fr den Tuntenball ausleiht und vergisst, sie wieder zurckzugeben. Zur Erinnerung schickt sie ihm eine humorvolle Karte, die ihre besondere Verbindung widerspiegelt und neben vielen weiteren persnlichen Notizen im Buch abgebildet ist.

Inhaltlich ist das Buch in Kapitel eingeteilt, die mit «Tapetenwechsel», «Harter Diven-Alltag» oder «Ohne Wimpern keine Knef» berschrieben sind. Zwischen all den amsant geschilderten Episoden finden sich auch Zeugnisse ihres Engagements fr die queere Community: So hat Hildegard Knef etwa auf dem Hhepunkt der Aids-Hysterie ausdrcklich ihre Solidaritt mit HIV-Infizierten und berhaupt allen Angehrigen der sogenannten Risikogruppen bekundet.

Ein Vorbild fr queere Knstler*­innen

Berhrend wiederum ist es, wenn Koch davon erzhlt, wie Hildegard Knef hoch betagt mit einem Lungenemphysem ans Bett gefesselt war. «Da rief sie mich an, ich solle kommen, sie aufhbschen, der Regierende Brgermeister Klaus Wowereit htte sich zum Krankenbesuch angesagt. Ich sehe sie noch vor mir, schwach und zerbrechlich: habe gepinselt, gepudert, gestylt, so war sie pltzlich ‹die Knef'». Doch dann kam eine Absage vom Senat. «‹Kannst mir abschminken›, meinte sie danach traurig. Ja, da musste ich sie in die Arme nehmen.»

Im Schlusskapitel «Hilde forever» erklrt Ren Koch, warum Hildegard Knef auch heute noch ein Vorbild fr viele Menschen ist, nicht zuletzt im Schaffen queerer Knstler*­innen wie Jo van Nelsen, Tim Fischer, Grome Castell oder Ulrich Michael Heissig alias Irmgard Knef.

«Hilde liebte es geradezu, wenn ihre Lieder, auch sie selbst, parodiert oder kopiert wurden. Ihr knapper Kommentar dazu war: ‹Nachgemacht wird doch nur, was gut ist!'» Ganz sicher wrde sie sich auch darber freuen, dass ihr Visagist und Wegbegleiter Ren Koch nun die gemeinsamen Erlebnisse auf eine so ungeschminkte und Berlinerisch-herzliche Art ffentlich macht.

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