Mit einem queer­freundlichen Programm an die Spitze
4 mins read

Mit einem queer­freundlichen Programm an die Spitze

Aus sterreich gibt es positive Nachrichten. Die jngsten Studierendenwahlen zeigen, dass sich viele junge Menschen fr eine transfreundliche und queerfeministische Bewegung begeistern knnen. So schaffte es der Verband sozialistischer Student*innen (VSSt) bei den sterreichischen Hochschler*innen-Wahlen mit 30,2 Prozent auf Platz eins. Dahinter folgte die konservative Aktionsgemeinschaft mit 20,9 Prozent. Der weit rechts positionierte Ring freiheitlicher Student*innen (RFS) erreichte nur 3,0 Prozent. Das Stimmverhalten der jungen Menschen an den Universitten unterscheidet sich damit komplett von dem bei anderen Wahlen in sterreich. Bei den Parlamentswahlen im vergangenen Herbst stieg die queerfeindliche und rechtsextreme FP zur Nummer eins auf (queer.de berichtete).

Umso erfreulicher sind die jetzigen Ergebnisse an den Hochschulen. berdurchschnittlich stark schnitt der transfreundliche und queerfeministische Verband VSSt an den drei groen Universitten ab. An der Uni Wien und der Uni Graz erzielten die Sozialist*innen 38 Prozent, an der Uni Salzburg kamen sie auf 41 Prozent. Bemerkenswert ist hingegen das Ergebnis an der Theresianischen Militrakademie in Wiener Neustadt. Dort whlten 44 Prozent der Studierenden den weit rechts positionierten Ring freiheitlicher Student*innen (RFS). Die Theresianische Militrakademie wurde 1751 von der damaligen Kaiserin Maria Theresia gegrndet. Sie ist seitdem der Ausbildungsort der Truppenoffizier*innen der sterreichischen Armee.

Fr freie Namen- und Pronomenwahl

Die Sozialist*innen sind bei den Wahlen ausdrcklich mit einem transfreundlichen und queerfeministischen Programm angetreten. Sie verlangen unter anderem die freie Namen- und Pronomenwahl an den Universitten. «Gerade fr genderqueere Personen kann ein falscher Name oder Pronomen zu einem Zwangsouting fhren. Deswegen wollen wir allen Studierenden die Mglichkeit geben, dies selbststndig zu ndern», heit es im Wahlprogramm. Denn derzeit seien die sterreichischen Hochschulen und Universitten fr genderqueere Personen hufig keine sicheren Orte.

«Personen, die sich nicht mit dem ihnen bei der Geburt zugewiesenen Geschlecht identifizieren, die damit einhergehend nicht den Eintragungen in Verwaltungsdokumenten entsprechen, werden von vielen Verantwortungstrger*innen an den Hochschulen im Stich gelassen», kritisiert der Verband VSSt. Falsch angesprochen zu werden, gehre fr die meisten genderqueeren Student*innen zum Alltag. «Gedeadnamed oder misgendert zu werden, fhrt oftmals zu einem Zwangsouting und nimmt Studierenden ihr Recht auf Selbstbestimmung. Genderqueere Studierende werden dadurch gezwungen, ungewollt die eigene Identitt erklren und mit intoleranten Einstellungen von Mitstudierenden und Lehrpersonen umgehen zu mssen», kritisieren die VSSt-Vertreter*innen.

Fr Unisex-Toiletten

Eine weitere Forderung sind Unisex-Toiletten an den Universitten. «Schon der Gang zur Toilette kann fr viele Menschen zur Tortur werden. Die Mglichkeit, auf eine Toilette gehen zu knnen, ohne sich binren Kategorien unterwerfen zu mssen, muss gegeben sein», betont der VSSt. Der Verband fordert «eine aktive Auseinandersetzung mit queerpolitischen Themen sowie den Ausbau von Anlaufstellen fr alle vom Patriarchat und durch heteronormative Diskriminierung unterdrckten Personen». Denn Hochschulen seien «kein von der Gesellschaft abgetrennter Raum, sondern immer ein Spiegelbild von ihr. So herrschen immer noch heteronormative Sichtweisen, auch in der Wissenschaft, vor.»

Der VSSt versteht sich als feministische und antisexistische Organisation, die sich unter anderem fr die Gleichberechtigung von FLINTA* Personen einsetzt. Im Wahlprogramm wird FLINTA* mit dem Sternchen (Asterik) am Ende geschrieben. «Wir schreiben FLINTA* also Frauen, Lesben, inter, nichtbinre, trans, agender Personen, weil der Begriff unterschiedliche Betroffenheiten und Logiken von patriarchalen Abwertungs- und Unterdrckungsstrukturen deutlich machen kann, die mit binren Geschlechterverhltnissen verknpft sind», betont der sozialistische Verband.

Kampf gegen reaktionre Weltbilder

Der VSSt ruft in diesem Zusammenhang zum «Kampf gegen reaktionre Weltbilder auch an den Hochschulen» auf: «Studierende mssen dazu angehalten werden, strukturelle und institutionalisierte Ungerechtigkeiten zu erkennen und Diskriminierungsformen aller Art zu bekmpfen. Zustzlich fordern wir verpflichtende Sensibilisierungsschulungen fr alle Lehrenden» und eine aktive FLINTA*-Frderung. «Nur wenn Studierende und Lehrende patriarchale, gesellschaftliche Verhltnisse verstehen und benennen knnen, kann die Hochschule zu einem sicheren Ort fr alle werden», heit es.

Die Spitzenkandidatin der VSSt ist die 22-jhrige Selina Wienerroither, die in Obersterreich aufgewachsen ist. Ihre Eltern hatten keine Matura. Die Klimakreise und ihre queere Sexualitt htten zu ihrem «politischen Erwachen» mit 18 Jahren beigetragen, schreibt die Zeitung «Der Standard». Ihre Familie sei eher konservativ eingestellt. Selina Wienerroither sagt, dass sie tagtglich merke, mit welchen Herausforderungen Arbeiter*innenkinder wie sie an den Hochschulen zu kmpfen haben. «Wer einmal studieren geht, entscheidet sich meist schon in der Wiege. Als Arbeiter*innenkind ist es fr mich tagtglich eine Herausforderung, sich mit Beihilfe und Nebenjob ber Wasser zu halten», betont die Spitzenkandidatin. Daher kmpfe sie auch fr ein sozial gerechtes Studium, fr soziale Absicherung und Beihilfen, die zum Leben reichen.