
Queer und kinderlos: Warum ich mich bewusst gegen Nachwuchs entschieden habe
«Und? Wann ist es bei euch soweit?» Diese harmlose Frage auf Familienfeiern trifft bei mir immer auf ein freundliches Lcheln und eine ehrliche Antwort: «Gar nicht.» Kein betretenes Schweigen. Keine betretenen Blicke. Meistens folgt ein nervses Lachen, als htte ich einen besonders guten Witz gemacht. Dabei ist es fr mich alles andere als ein Scherz. Ich bin queer, glcklich verheiratet und kinderlos. Und das ist nicht das Ergebnis eines tragischen Schicksals oder einer verpassten Gelegenheit, sondern eine bewusste Entscheidung.
In der queeren Community wird Familiengrndung oft als groer Erfolg gefeiert. Und das ist wunderschn, schlielich war das Recht auf Familie fr queere Paare lange keine Selbstverstndlichkeit. Aber genau dieses neue Selbstverstndnis kann auch Druck erzeugen: Wer nicht heiratet oder keine Kinder bekommt, wird schnell gefragt, wann denn der nchste Schritt folgt. Und dieser ist in einer normativen Welt die Elternschaft.
Doch fr mich fehlte nie etwas. Ich habe nie diese innere Stimme gesprt, die sagte: «Du musst Mutter werden.» Stattdessen sprte ich eine andere: die Stimme, die mich fragte, was ich wirklich vom Leben will. Die Antwort war immer: Freiheit. Abenteuer. Zeit fr Kreativitt, fr Reisen, fr intensive Beziehungen zu Menschen ohne dass ein kleiner Mensch davon abhngt, dass ich jederzeit bereit bin, mein Leben hintenanzustellen oder beim Toilettengang beobachtet zu werden.
Familienglck ohne Familie?
Sobald ich erzhle, dass ich keine Kinder will, begegnen mir zwei Reaktionen: Die einen lcheln wissend und sagen: «Das dachte ich frher auch.» Die anderen versuchen mir zu erklren, was ich verpasse und dass Elternsein das Schnste ist, was es gibt. Beides verfehlt den Punkt. Meine Entscheidung ist kein Angriff auf die, die sich fr Kinder entscheiden. Genauso wenig ist Elternschaft ein Angriff auf mein Lebensmodell. Es geht nicht darum, besser oder schlechter zu sein. Es geht um unterschiedliche Wege zu einem erfllten Leben. Doch oft hat trotzdem eine Seite das Gefhl, sich rechtfertigen zu mssen.
Meine Frau wollte mit ihrer damaligen Freundin ein Kind haben. Dieser Prozess war sehr kostspielig und langwierig ohne guten Ausgang. Heute ist sie froh darber, dass es mit dem Kinderkriegen damals nicht funktioniert hat. Denn: Ihr Kinderwunsch war kein innerer Wunsch, sondern ein Spiegelbild der Erwartungen ihrer Familie und der Gesellschaft. Als sie wirklich in sich hineingehrt hatte, erkannte sie: Sie mchte gar keine Kinder.
Uns werden neuen Erwartungen bergestlpt
Es gibt kaum etwas Kraftvolleres als queere Eltern, die Sichtbarkeit schaffen und Kindern ein diverses Weltbild vermitteln. Und ja, queere Elternschaft ist ein politisches Statement ein Triumph ber eine Welt, die uns lange weismachen wollte, dass wir keine «richtige» Familie grnden knnen. Aber genau deshalb ist es wichtig zu sagen: Auch die Entscheidung, keine Kinder zu haben, ist politisch. Sie sagt: Unser Wert als queere Menschen hngt nicht davon ab, ob wir traditionelle Lebensmodelle erfllen. Wir drfen frei whlen. Wirklich frei. Ohne Schuldgefhle. Ohne Rechtfertigung.
Und doch beobachte ich: Kaum ist Homosexualitt gesellschaftlich einigermaen akzeptiert, werden uns schon wieder neue Erwartungen bergestlpt. Wenn man schon queer sein muss, dann kann man ja wenigstens den Rest des Lebens normativ gestalten. Nein, muss man nicht natrlich auch nicht, wenn man nicht-queer ist. Ein Leben auerhalb gesellschaftlicher Normen zu fhren, ist fr viele schwer nachzuvollziehen besonders, wenn sie selbst nie gegen diese Normen gelebt haben. Aber ich kann ehrlich gesagt auch nicht nachvollziehen, wie es ist, den Wunsch zu haben, Mutter zu sein. Also besser doch einfach: Leben und leben lassen, oder?
Glck kennt viele Gesichter
Meine Tage sind erfllt von Projekten, Reisen, spontanen Abenden mit Freund*innen, langen Gesprchen bis spt in die Nacht. Ich geniee es, mich kreativ auszutoben, ohne jemandem gerecht werden zu mssen auer mir selbst und meiner Frau. Natrlich gibt es Momente, in denen ich ber die Zukunft nachdenke: Wer wird da sein, wenn ich alt bin? Aber Elternschaft ist letztlich auch keine Garantie fr Gesellschaft im Alter. Und Freundschaften, Wahlfamilien, Gemeinschaften knnen ebenso erfllend und tragend sein.
Es gibt viele Wege, ein erflltes Leben zu fhren. Meiner fhrt mich nicht ber Krabbelgruppen und Schulranzenkufe, sondern ber Herzensprojekte, intensive Begegnungen und die Freiheit, jederzeit neue Wege einzuschlagen. Ich bin queer. Ich bin kinderlos. Und ich bin glcklich genau so, wie ich bin.