Regenbogen­familien unter die Lupe genommen
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Regenbogen­familien unter die Lupe genommen

«Lesben sind die besseren Vter» (Amazon-Affiliate-Link ) klingt nicht nur nach einem Sachbuch, das provoziert, sondern will es auch. Was Lisa Bendiek mit ihrer Betrachtung queerer Elternschaft vor allem aber schafft, ist, sich einem ebenso emotionalen wie komplexen Thema in zahlenreichen Details zu widmen.

Wie der Untertitel «Regenbogenfamilien als Vorbild fr gleichberechtigte Elternschaft» verrt, hat die bei Edition Nautilus erschienene Flugschrift zum Ziel, heteronormative und queere Elternschaft aus queer-feministischer Perspektive in den Vergleich zu stellen. Die Polemik, die bereits der Titel «Lesben sind die besseren Vter» ankndigt und sich durch das Buch durchziehen soll, wie die Autorin einleitend feststellt, rckt allerdings zugunsten dichter Reflexion, kluger Analysen und akribisch aufgearbeiteter Fakten in den Hintergrund.

Reflexion ber Polemik

So macht auch den Einstieg in das vielschichtige Thema eine ausfhrliche und kritische Reflexion der Titelwahl, an der sich das Studium der Sozial- und Kulturanthropologie der Autorin bemerkbar macht. Eine differenzierte Betrachtung von Regenbogenfamilien ist damit ein Versprechen, das sich im Laufe des Buches auch einlst. Auf 309 Seiten, wovon knapp 50 Anmerkungen und Literaturverweise ausmachen, seziert Bendiek nmlich Geschichte und Rechtslagen queerer Familien(-planung).

Sichtbar werden hier die institutionellen Kmpfe, denen queere Elternschaft zugrunde liegt und zwar in den unterschiedlichsten Konstellationen, die die Spektralfarben des Regenbogens zum Leuchten bringen: von den verschiedenen Varianten lesbischer Mutterschaft ber trans und nichtbinre Elternschaft bis zu polyamoursen Familienkonstellationen.

Das bisschen Haushalt?

In den Blick rckt damit auch die Verteilung von Sorge- und Haushaltsarbeit, womit die Autorin dem heteronormativen Pendant Vater, Mutter, Kind(er) nicht gerade wenig entgegensetzt. An die Stellen, an denen die wissenschaftlichen Zahlen bisher dnn sind, treten Stimmen, die die Autorin in Interviews eingefangen hat, aber auch ihre eigenen Erfahrungswerte und familire Geschichte. Anlass zur thematischen Aufarbeitung hat nmlich einerseits der Corona-bedingte Lockdown gegeben, andererseits aber auch der Tod des Vaters der Autorin, der als Hausmann, wie die Autorin ausfhrt, in der damaligen Bundesrepublik als Raritt galt.

Es geht also nicht nur um queere Elternschaft, sondern insbesondere um die Frage, wie sich Vaterschaft in Sorge- und Haushaltsarbeit einbringen kann. Zwar mag der Buchtitel nichts anderes erwarten lassen, angesichts der vielseitigen Aufschlsselung queerer Perspektiven fllt die Bercksichtigung schwuler Elternschaft jedoch vergleichsweise knapp aus.

Farben queerer Elternschaft, die im dargestellten Regenbogen fehlen

Obwohl mit queeren Verwandtschaftsformen auch die Rolle von Ballroom-Husern fr Queers of Color insbesondere in New York seit den 1960er Jahren Erwhnung findet sowie die strategische Adoption, wie sie in Deutschland bis 2001 eine gngige Praxis war, um dem*der Partner*in die Erbschaft zu ermglichen, werden schwule Perspektiven auf queere Elternschaft weniger ausfhrlich behandelt, was die Autorin mit empirischer Seltenheit begrndet, angesichts der Suche nach einer neuen Vaterschaft jedoch ernchternd wirkt.

Der Fokus von «Lesben sind die besseren Vter» liegt trotz der detailreichen Sondierung auf kinderbezogener Elternschaft. Dass diese Verwandtschaftsform ein Leben lang auf verschiedenste Arten relevant werden und bleiben kann und in queeren Kontexten auf unterschiedlichste, auch spielerische Weisen adaptiert wird, bleibt damit nur angedeutet.

Queere Elternschaft im globalen Kontext

Deutlich wird allemal, dass Familie und Verwandtschaft etwas Sozialkonstruiertes ist, was die Bercksichtigung vorkolonialer und auereuropischer Konzepte von Elternschaft unterstreicht und zum Ende nochmal politisch pointiert wird: In einem zeitgenssischen Blick um die Welt kontextualisiert Lisa Bendiek queere Elternschaft auch temporr. In Hinsicht auf die globale Entwicklung wird queere Elternschaft weiterhin stark von rechtlich-politischen Rahmenbedingungen abhngig bleiben.

Hoffnung macht allerdings zu wissen, dass wir uns auf die eigene Community verlassen knnen: Der berwiegende Teil der Rechte fr queere Verwandtschaftsformen wird seit 1990 nmlich nicht durch politische Entscheidungstrger umgesetzt, sondern waren das Resultat individueller Bestrebungen queere Familien, die bis zur obersten Instanz, dem Bundesverfassungsgericht, aber auch EU-Institutionen geklagt haben, um ihre Daseinsberechtigung auch formal rechtlich besiegelt zu haben.

«Lesben sind die besseren Vter» fhrt geballt vor Augen, wie queere, lesbische, polyamourse, aber auch alleinerziehende Eltern kmpfen mussten und mssen. Wer sich mit Elternschaft befasst, findet hier eine fundierte, inspirierende und teils herausfordernde Auseinandersetzung. Sie bereitet vor, motiviert und schreckt vielleicht sogar ab. Aber sie erffnet auch hier und da neue Perspektiven auf die eigene Kindheit.

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