Auf dem «Highway to Hell»: Die PR-Strategie von Alice Weidel und Sarah Bossard
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Auf dem «Highway to Hell»: Die PR-Strategie von Alice Weidel und Sarah Bossard

Alice Weidel und Sarah Bossard auf einem Road Trip: Die Musik im Wagen ist aufgedreht, die Bsse wummern, beide Frauen tragen Sonnenbrille und sind offensichtlich vergngt. Whrend die eine ihre Arme rhythmisch zur Musik bewegt, lsst die andere mit kokettem Kopfschwung die Haare flattern. Der Clip ist auf diversen Tiktok-Kanlen zu finden, zudem hat ihn Bossard auf ihrem Instagram-Account gepostet. Er drfte Teil einer wohl berlegten PR-Strategie sein, bei der sich die AfD-Kanzlerkandidatin und ihre Frau als cooles, kosmopolitisches und durchaus sympathisches Lesbenprchen prsentieren.

Der Cardancing-Clip bekam allein auf Bossards Instagram-Account mehr als 22.000 Herzchen. Er erinnert nicht zufllig an Ridley Scotts Filmklassiker «Thelma & Louise», der unter lesbischen Frauen Kultstatus geniet und als Symbol fr weibliche Selbstermchtigung und Rebellion gilt. Auch Weidel gefllt sich in der Rolle als Rebellin gegen das Establishment nur dass sich ihre Revolte nicht gegen patriarchale Strukturen richtet, sondern gegen die Grundwerte der liberalen Demokratie.

Lesbisches Vorzeigepaar einer queerfeindlichen Partei

Ungeachtet dessen zielt die Botschaft ihres Videoclips auf ein Publikum ab, das sich selbst in weiterem Sinne als progressiv, emanzipiert und hip versteht und zumindest mit dem traditionellen Familienbild der AfD nichts anfangen kann. Darum ist diese PR-Strategie von Weidel und Bossard nicht nur ein doppeltes Spiel sondern auch eines mit dem Feuer. Die Message lautet: Wir sind nett, wir sind nahbar, wir sind sogar ein bisschen crazy solange Leute wie wir in der AfD das Sagen haben, gibt es nichts zu befrchten. Doch auch der Nationalsozialismus offenbarte sich in seinen Anfngen nicht in eindeutiger barbarischen Form. Vielmehr verpasste er sich einen heute wrde man sagen: coolen Anstrich, indem er Radio, Kino und medial untersttzte Massenveranstaltungen fr seine Zwecke nutzte.

Sind Alice Weidel und Sarah Bossard in ihrer selbstgewhlten Rolle als lesbisches Vorzeigepaar einer queerfeindlichen, rassistischen und homophoben Partei mit sich wirklich im Reinen? Zweifel sind angebracht, ob ihre Strategie der Selbstinszenierung zu ihren eigenen Gunsten langfristig funktionieren wird, auch wenn der Cardancing-Clip einstweilen von Erfolg gekrnt zu sein scheint.

Bei «Thelma & Louise» nimmt der Road Trip jedenfalls kein gutes Ende: Die beiden Frauen steuern den Wagen am Ende notgedrungen in den Abgrund. Doch whrend die Filmheldinnen vom persnlichen Drang nach Freiheit angetrieben werden, liegen bei der Kanzlerkandidatin und ihrer Frau eher Machtrausch und Verblendung zugrunde. Der Clip von Weidel und Bossard wird mit Beats eines Songs von Kylie Minogue unterlegt, doch «Highway to Hell» wre wohl die treffendere Anleihe aus der Popkultur. Der AC/DC-Song beschreibt, wie Selbstberschtzung und Ignoranz dazu fhren knnen auf die falsche Bahn zu geraten: «Livin› easy, Lovin› free. No stop signs, speed limits, nobody’s gonna slow me down.»

Die AfD bleibt eine unberechenbare Partei

Vor allem Weidels ehemaligem Rivalen Bjrn Hcke und seinen Nazi-Fans muss die mediale Selbstinszenierung des interethnischen Lesbenpaars lngst ein Dorn im Auge sein. Die in Sri Lanka geborene Sarah Bossard teilt auf ihrem Instagram-Account nicht nur private Momente von sich und Alice Weidel, sondern postet auch Bilder aus multikulturellen Nachtclubs in Berlin und Zrich, von internationalen Vernissagen und Museen darunter Ausstellungen von Mark Rothko, Giacometti und Edvard Munch. Bossard wei vielleicht, dass Rothko von seiner Angst vor antisemitischen Angriffen traumatisiert war, dass Giacometti mit dem Kommunismus liebugelte und Edvard Munchs Kunst zunchst von den Nazis vereinnahmt wurde, bevor man sein Werk als «entartet» brandmarkte. Just am Umgang mit letzterem zeigt sich, wie unberechenbar die Dynamik am politisch rechten Rand sein kann. Zu spren bekam das vor allem Ernst Rhm, dessen Homosexualitt von den Nazis anfangs ausdrcklich geduldet wurde, bis er eines Tages pltzlich aus der Parteifhrung eliminiert wurde.

Zwar sind die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen von damals mit der heutigen globalen Bedrohung durch rechtsextremistische und nationalistische Strmungen bei weitem nicht in allen Aspekten vergleichbar. Doch die AfD bleibt eine unberechenbare Partei, in der vor allem der Hcke-Flgel immer wieder dazu tendiert, die NS-Zeit in einem geschichtsrevisionistischen Licht erscheinen zu lassen. Es liegt nahe, dass dort die Social-Media-Posts von Weidels Frau aufmerksam zur Kenntnis genommen werden und entsprechend Misstrauen erregen. Ob sich Sarah Bossard und Alice Weidel ber das volle Ausma ihrer PR-Strategie im Klaren sind?