Eine Einladung zum Lesbisch-Werden
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Eine Einladung zum Lesbisch-Werden

Das krzlich im Ullstein Verlag erschienene Buch «Lesbisch werden in zehn Schritten» (Amazon-Affiliate-Link ) trifft einen Nerv der Zeit: Im vergangenen Herbst geriet das «4B-Movement» in den Fokus der Medien. Mit der Wiederwahl von Donald Trump regte sich der feministische Widerstand in sozialen Medien, und junge US-Amerikaner*innen schlossen sich der ursprnglich in Sdkorea entstandenen Bewegung an, deren politischer Akt darin liegt, der Heirat, dem Kinderkriegen, dem Dating und dem Sex mit cis-hetero Mnnern abzuschwren.

Gemein haben Louise Morels Taschenbuch und die inzwischen zu einem globalen Phnomen gewachsene Bewegung, dass sie Antworten auf sexualisierte Gewalt und Femizide bilden. Wohingegen das «4B-Movement» mit seinem Aufruf zum Zlibat in einer negativistischen Grundhaltung mndet, ruft Louise Morel den politischen Lesbianismus in Erinnerung. Dadurch zeigt sie einen Weg auf, in eine Oase, in der sich Frauen untereinander lieben und, die es wie auf einer Reise zu entdecken gilt.

Der Weg ist das Ziel zur selbstbestimmten lesbischen Identitt

Jedes der zehn Kapitel widmet sich einem Schritt oder eher noch einer Erkenntnis weg von den internalisierten Normen des Heteropatriarchats, hin zu einem politischen und vor allem selbstbestimmten Lesbianismus. Das vorangestellte Vorwort von Emilia Roig bildet den programmatischen Auftakt, der deutlich macht, dass es hier nicht nur um persnliche Orientierung, sondern um strukturelle Vernderung geht.

In diesem Zusammenhang erkundet die Einleitung auch die zentrale These des Buches: «Wir werden lesbisch geboren und wir werden es» (S. 13). Ein Paradoxon, das sowohl biologische als auch soziale Aspekte lesbischer Identitt in den Blick nimmt. Statt sie allerdings gegeneinander auszuspielen, schafft Morel es, sie immer wieder ineinander zu fhren und der eigenen Entwicklung Freiraum zu geben.

Ein sicherer Raum der Selbstentdeckung

Louise Morels Sprache ist einfhlsam, klar und motivierend. Wer sich mit Fragen der eigenen Sexualitt beschftigt, wird hier nicht belehrt, sondern begleitet. Das Buch bietet einen sicheren Raum, der Platz lsst fr Zweifel, Fragen und Unklarheiten. Es spricht direkt, ohne dogmatisch zu wirken, und bringt so politischen Anspruch in Einklang mit persnlicher Ansprache.

Gerade fr Leser*­innen, die sich am Anfang ihres queeren Weges befinden, bietet «Lesbisch werden in zehn Schritten» zahlreiche Anhaltspunkte, Mutmacher und erste Erklrungen. Dass die einzelnen Kapitel mit teils spielerischen Titeln, persnlichen Anekdoten und konkreten Vorschlgen gespickt sind, unterstreicht den Praxisbezug. Morel will nicht bevormunden, sondern zum handelnden Selbstentdecken anregen.

Lesbische Kultur als Entdeckungsreise

In ihrer Schritt-fr-Schritt-Anleitung nimmt die Autorin die Leser*­innen auch mit auf Streifzge durch die lesbische Kultur. Neben einer kurzen Einfhrung in lesbische Codes, um sich zu erkennen und erkennen zu geben, finden sich Treffpunkte wie Bars und Kneipen, aber auch Partyreihen aus der Flinta-Community in Paris und Berlin.

Besonders hervorzuheben ist mit der mhevollen Zusammenstellung von Empfehlungen auch das «Dyke Welcome Kit» (S. 199), das der einseitigen Schlussfolgerung hinten angestellt ist und fast schon als kleines Geschenk daherkommt: Auf nachfolgenden 14 Seiten werden eine Vielzahl an Ressourcen gebndelt von Film- und Literaturempfehlungen ber Essays bis hin zu inspirierenden Instagram- und YouTube-Kanlen.

Lesbischsein ist mehr als Begehren

Damit setzt sich Morels Kernanliegen konsequent fort. Nmlich, dass politischer Lesbianismus mehr ist als Begehren unter Frauen. Es geht um gegenseitige trans-, pan-, bi-, inter-, non-binary-, aro-ace- und plus-inklusive Solidaritt um eine politische Praxis. In einer Gesellschaft, in der Flinta systematisch konomisch, sozial und emotional benachteiligt werden, ist die Entscheidung, sich gegenseitig zu untersttzen, ein Akt des Widerstands.

Neben den Gedanken von Adrienne Rich ruft Morel auch die Worte des «Coming-in» von lodie Font in Erinnerung. Anders als das Coming-out, das oft als einmaliger Akt des Sich-Offenbarens verstanden wird, beschreibt das Coming-in einen kontinuierlichen Prozess der bewussten Entscheidung ein inneres Ankommen bei unserer inneren Lesbe. Es ist eine Hinwendung zur eigenen Begehrensstruktur, jenseits gesellschaftlicher Erwartungen.

Ein mutiger und ermutigender Ratgeber

«Lesbisch werden in zehn Schritten» ist ein gleichermaen mutiger und ermutigender Ratgeber, der zwar nicht alle Antworten parat hat, aber einen Anfang darstellt, der halt gibt ein Einstieg fr alle, die sich fragen: Was kann es fr mich bedeuten, lesbisch zu werden?

Louise Morel zeigt, dass lesbische Identitt nicht auf Sexualitt reduziert werden kann, sondern auch Beziehungsform, Lebensweise und politisches Statement ist. Wer klare Theorien, tiefe Analysen oder akademische Przision sucht, wird hier mglicherweise enttuscht. Wer aber auf der Suche ist nach Ermutigung, Perspektiven und ersten Impulsen, findet in diesem Buch eine liebevolle Begleiterin auf dem Weg Schritt fr Schritt.

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