Das Buch von Valerie Wilms: Wie ein Schlag ins Gesicht
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Das Buch von Valerie Wilms: Wie ein Schlag ins Gesicht

Eine soeben im Mnchner Langen Mller Verlag erschienene Autobiografie schlgt Wellen. Geschrieben hat sie Valerie Wilms, mit der sie sich zugleich erstmals in der ffentlichkeit als trans outet (queer.de berichtete). Wellen schlgt das Buch hauptschlich aus zwei Grnden: Erstens, weil sie zwischen 2009 und 2017 als nicht geoutete trans Frau der Fraktion Bndnis 90/Die Grnen im Bundestag angehrte, und zweitens, weil sie sich in harschen Worten gegen das Selbstbestimmungsgesetz (SBGG) ausspricht und fr die Begutachtungspflicht, denn sie sieht ihre Transidentitt klar als Krankheit an:

Natrlich hat Wilms wie alle Menschen in diesem Land ein Recht auf eine eigene Meinung, und die darf sie vertreten, wo und wie immer sie das will und kann. Was aber nichts daran ndert, dass eine Meinung eine Meinung bleibt und nicht mit der Wahrheit verwechselt werden sollte.

Andererseits ist es wirklich zum Heulen, wie in den letzten Wochen und Monaten die schlechten Nachrichten ber die trans Community hereingebrochen sind es gengen die Stichworte Trump, Orbn und zuletzt das Urteil des Supreme Court in Grobritannien, der schottischen Terfs recht gab und das Gleichstellungsgesetz biologistisch auslegte, womit trans Frauen bei der Gleichstellung leer ausgehen. Dann der Politikwechsel bei uns, mit der die Queerpolitik zum akuten Verteidigungsfall wird. Und jetzt das noch. Es reicht!

Ein recht ungesundes Verhltnis zum Trans-Sein

Was mir die Autobiografie «Meine zwei Leben. Als Junge geboren als Frau im Bundestag» (Amazon-Affiliate-Link ) vermittelt: Auf jeden Fall ein fragwrdiges Sozialverhalten der Autorin und dazu ein recht ungesundes Verhltnis zum Trans-Sein. Sich auerdem selbst zum Mastab fr andere zu machen war schon immer oberfaul. Wer nicht ihre Vorstellungen vom Trans-Sein teilt, und wir besitzen nun mal sehr individuelle Vorstellungen, dem spricht sie rundweg «Echtheit» ab. Wobei sie dem lngst obsolet gewordenen Begriff «trans­sexuell» treu bleibt. Gut, ist geschenkt (steht ja auch auf dem Umschlag meines Memoirs). Mit Blick auf ihre trans Nachfolgerinnen im Bundestag, Nyke Slawik und Tessa Ganserer, spricht Wilms von «politischem Klamauk». Wenn schon, dann veranstaltet den bekanntlich die AfD.

Und dann gibt es da all diese gruseligen Ansichten ber das SBGG. Schon am Anfang heit es im Buch, die «mchtige Lobbygruppe» habe «massiv Stimmung gemacht» in Sachen Vermehrung der Geschlechter und fr die Selbst­bestimmung. Sollte eine Politikerin eigentlich wissen, dass Selbst­bestimmung ein Grundrecht ist, nur leider nicht in vollem Umfang ermglicht wird. Den CSD vergleicht sie mit «Aufmrschen» und die Community-Sprache sei «aufgeputscht». Wenn Wilms selbst eine aufgeputschte Sprache benutzt, scheint das fr sie in Ordnung zu sein. Dann spricht sie beispielsweise von «Genderideologie» und von «Gender-Hopping», weil das SBGG uns angeblich dazu einldt, jedes Jahr das Geschlecht zu wechseln.

Frei von jedem literarischen Anspruch

Dort, wo es dann autobiografisch wird, wir Privates, Familires und Berufliches erfahren, liest sich das staubtrocken wie ein Ttigkeitsbericht oder, um es freundlicher zu formulieren, sehr, sehr nchtern. Ab und an ein lustiger Satz wie dieser: «Die Ernhrung stellte ich auf gesunden Salat um, wie es fr Frauen nicht untypisch ist.» Schau, schau.

Auf jeden Fall ist dieses Buch frei von jedem literarischen Anspruch. Gut, wir erhalten Einblick in den parlamentarischen und parteipolitischen Alltag als Nhkstchen-Plauderei. Und inkompetent sind natrlich immer nur die anderen. Wilms galt bei den Grnen als «die Frau aus der Energiepolitik» und hat sich mit Verkehrs- und Infrastrukturpolitik beschftigt. Vorher hatte sie sich fr Berufsgenossenschaften um das Thema Arbeitsschutz gekmmert. Alles respektabel.

Wilms kandidierte trotz allem fr Frauen-Listenplatz

Kurios bleibt, dass sie zwar betont, sie sei keine Frau im biologischen Sinne, sondern lebe in der Rolle einer Frau. Aber das hatte sie 2009 nicht davon abgehalten auf einen Frauen-Listenplatz bei den Grnen zu spekulieren. Gut, sie landete dann auf einem dritten, sozusagen einem All-Gender-Platz. Seltsam ist das wiederum nicht. Wir kritisieren halt lieber die anderen als uns selbst.

Wie Wilms bin auch ich Jahrgang 1954, bin ebenso trans (allerdings ohne das Skalpell kennengelernt zu haben) und ging 2019 wie Wilms in Rente. Anders als sie lebe ich seit bald 50 Jahren als trans Frau und war davon 36 Jahre nicht geoutet im «normalen» Berufsleben unterwegs, whrend sie noch versuchte, ein guter hetero Ehemann und Familienvater zu werden. Aber ich wrde nie auf die Idee kommen, anderen trans Menschen das Trans-Sein abzusprechen, geschweige denn ihnen schaden zu wollen. Leben und leben lassen, so meine Devise.

Auf die geschlechtliche Selbstbestimmung habe ich fast 50 Jahre gewartet und hatte 1982 nur das Transsexuellengesetz (TSG) kennen- und vor allem verachten lernen drfen. Dass Wilms dem TSG nachtrauert und all diesen Unsinn wiederkut, ist wie ein Schlag ins Gesicht.

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