Unglaubliche Objekte aus der queeren Geschichte sterreichs
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Unglaubliche Objekte aus der queeren Geschichte sterreichs

Am 11. Juni wird in Wien mit Qwien das erste groe queere Kulturzentrum sterreichs erffnet. «Jetzt steht ein Quantensprung in unserer Entwicklung an», sagt Andreas Brunner, wissenschaftlicher Leiter von Qwien. Jedes Jahr sind an dem neuen Standort zwei Wechselausstellungen geplant. Diese sollen «mit ganz unterschiedlichen Zugngen auf queere Geschichte Bezug nehmen», betont Hannes Sulzenbacher, kuratorischer Leiter von Qwien. Daneben soll in den neuen Rumlichkeiten auch «ein Space fr knstlerische Experimente und kleinere Ausstellungen» geschaffen werden.

Die erste groe Ausstellung heit «Geschichte machen. Ein queeres Jahrtausend in 27 unglaublichen Objekten» . Die Schau ist bis zum 9. November 2025 zu sehen und beschftigt sich schrg und humorvoll mit der Abwesenheit von queerer Geschichte. Auf Grundlage von 27 historisch belegten queeren Lebensgeschichten aus sterreich wurden ebenso viele Objekte entworfen und hergestellt. Bei diesen Artefakten handelt es sich um keine Originale, sondern um knstlerisch interpretierte Reprsentationen realer Erfahrungen. Das sind die sechs besonders spannenden Exponate:

Liebesbekundungen von Frauen am Wiener Hof

Unter der Kapuzinerkirche in der Wiener Innenstadt befindet sich die Kaisergruft. Dort sind Angehrige des frheren Kaiser*­innen-Hauses Habsburg begraben. Auch Erzherzogin Isabella von Bourbon-Parma hat dort ihre letzte Ruhesttte. Sie wurde 1741 in Spanien geboren. 1760 kam sie nach Wien, um den damaligen Thronfolger und spteren Kaiser Joseph II. zu heiraten. Das Ganze geschah nicht aus Liebe, sondern war ein Ergebnis der Heiratspolitik der Habsburger*­innen.

Tatschlich liebte die Erzherzogin die 1742 in Wien geborene Marie Christine von sterreich, die jngere Schwester von Joseph II. Die beiden Frauen schrieben sich Briefe mit neckischen Liebesbekundungen. In einem Schriftstck heit es: «Ich ke dein ertzengliches arscherl». Die Briefe blieben lange geheim. «Erst in den letzten Jahren wird ber die Liebesbeziehung der beiden Erzherzoginnen am Wiener Hof offen gesprochen», heit es dazu im Ausstellungskatalog von Qwien. Dabei werde diskutiert, ob es sich hier «um eine intensive, romantische Freundschaft» oder um eine «lesbische Beziehung in unserem heutigen Sinne» handelt. In der Ausstellung ist eine Gedenkmnze mit den Portrts der Erzherzoginnen zu sehen.

Unsinnsgesellschaft mit «Nina Wutzerl»

In Wien gab es in der Landstraer Hauptstrae ein Gasthaus mit dem Namen «Zum rothen Hahn». Dort trafen sich in den Jahren 1817 und 1818 immer am Donnerstag die sogenannte «Unsinnsgesellschaft». Dabei handelte sich um eine Bruderschaft von verschiedenen Knstlern. Auch der Maler Johann Carl Smirsch (1793 bis 1869) ging gerne zu dien Treffen. Er war einer von zwei Mnnern, die in der Unsinnsgesellschaft mit Frauennamen angesprochen wurden. Smirsch wurde «Nina Wutzerl» genannt. Es wird berichtet, dass «Nina Wutzerl» in der Unsinnsgesellschaft Mnnerhosen und darber weibliche Kleidung getragen hat. Bekannt war «Nina Wutzerl» vor allem fr den Damenhut aus Stroh mit Pfauenfedern. An «Nina Wutzerl» erinnert daher in der Ausstellung ein Strohhut mit Blumen- und Federnschmuck.

Ein Burgtheater-Direktor, der einen Mann besonders lieb hat

Das Burgtheater an der Wiener Ringstrae gehrt zu den bedeutendsten Schauspielhusern der Welt. Im Jahr 1881 wurde Adolf von Wilbrandt zum Direktor des Theaters ernannt. Wilbrandt wurde 1837 im deutschen Rostock geboren. Er zog 1871 nach Wien. Wilbrandt war ein bekannter Schriftsteller, der viele Bcher geschrieben hat. In seinem Roman «Fridolins heimliche Ehe» geht es um den Kunstprofessor Fridolin, der sowohl Mnner als auch Frauen liebte. Im Roman schrieb der Autor, dass die «seelische Magnetnadel» von Fridolin «bald nach dem Nordpol der Mnnlichkeit, bald nach dem Sdpol des Weiblichen» zeige. Wilbrandt widmete den Roman dem Schauspieler Hermann Schne, der am Burgtheater spielte. In seinen Erinnerungen schrieb Wilbrandt ber Schne: «Ich hatte ihn besonders lieb.»

Im Ausstellungskatalog von Qwien heit es dazu: «Auch wenn diese Hinweise nicht als Beleg fr eine homo­sexuelle Beziehung gewertet werden knnen, zeugen sie doch von der Nhe der beiden Mnner.» In der Ausstellung ist eine Kopie des Apollo von Belvedere, einer antiken Marmorskulptur, zu sehen. Auf dem Sockel wurde folgender Satz in Anlehnung an den Roman von Wilbrandt angebracht: «Meinem Nordpol! Innige Gre von deinem Sdpol Wien 1875».

Kissen in Erinnerung an eine lesbischen Liebe

In der Ausstellung ist auch ein Kaprizpolster zu sehen mit dem Spruch: «Ich denke Dein zu jeder Stund› Und mchte kssen Deinen Mund.» Ein Kaprizpolster ist ein umgangssprachlich veralteter sterreichischer Ausdruck fr kleines Kissen. Der Polster wurde im Gedenken an Karoline Wieser und Ludmilla Horvath angefertigt. Beide Frauen waren ineinander verliebt. Sie wurden im Frhjahr 1913 zu zwei Monaten schwerem Kerker wegen «Unzucht wider die Natur» verurteilt. Nach der Strafe schrieben die Frauen Postkarten mit Liebesbekundungen. Einmal schrieb «Lutschi» (Ludmilla) ihrem «lieben Lintscherl» (Karoline): «Ich bin ganz krank, das ich nicht bei dir sein kann mit 100.000 Kssen.»

Das Verhltnis der beiden Frauen wurde allerdings schwieriger. Schlielich zeigte Ludmilla ihre frhere Freundin wegen «unsittlicher Antrge» an. Im Ausstellungskatalog heit es dazu, dass Ludmilla nach der Haft schwanger geworden sei, «wahrscheinlich ihre erste sexuelle Erfahrung mit einem Mann. Wollte sie sich beweisen, dass sie auch zu einer heterosexuellen Beziehung fhig war, auch wenn sie noch immer ihre Freundin begehrte?» Diesmal endete das Gerichtsverfahren mit einem Freispruch. Denn das Gericht wertete die Vorwrfe und Anzeige als Rache aufgrund verletzter Gefhle.

Wiener Damenclub Violetta

Im Jahr 1926 wurde in Berlin der Damenclub Violetta gegrndet. Der Club wurde so genannt, weil damals die Wrter «Dame» und «Freundin» Chiffren fr Lesben waren. Die Frauengruppe des «Deutschen Freundschaftsverbands» wollte nach dem Vorbild des Berliner Klubs auch in Wien ein Vereinslokal grnden. Das erste Treffen fand am 27. Februar 1927 statt. Kommen durften nur «einwandfreie Damen».

Im Ausstellungskatalog steht dazu: Oft waren die Absichten bei solchen Grndungen nicht nur mit Gastronomie, sondern auch mit der Durchfhrung von Tanz- und Diskussionsveranstaltungen sowie der Grndung von Wander- und Sportgruppen verbunden.» Fr die Ausstellung wurde ein Werbeschild des Vereinslokals «Damenclub Violetta» angefertigt.

Erinnerung an trans Person Lareine

Das Caf Capua in der Wiener Johannesgasse 3 war in der Zwischenkriegszeit ein bekanntes Konzertcaf. Dort trat Lareine auf. In der Ausstellung ist ein Plakat zu sehen. Dort wird der Auftritt von Lareine im Caf Capua angekndigt.

Bei Lareine handelte es sich um einen Knstlernamen. Daten ber das Leben von Lareine sind nicht bekannt. Fest steht, dass der Name Lareine in den Jahren 1921 und 1933 immer wieder in Wiener Zeitungen erwhnt wurde. In der Wiener Tageszeitung «Die Stunde» erschien ein Artikel mit dem Titel «Wer ist Lareine?». Dort stand, dass Lareine «eine elegante, junge Dame» sei, die in Wien geboren wurde und Tanz studierte. «Sie fhlt und lebt als Frau, ist aber anatomisch ein Mann», heit es im Artikel. Den Journalist*innen zeigte Lareine ein Gutachten des deutschen Arztes und Sexualwissenschaftlers Magnus Hirschfeld. Darin wurde ihre Transidentitt besttigt. 1933 trat Lareine im sterreichischen Film «Mysterium des Geschlechtes» auf. «Danach verliert sich weitgehend ihre Spur», heit es im Ausstellungskatalog. Es aber Hinweise, «dass sich Lareine um 1940 in der Trkei einer geschlechtsanpassenden Operation unterzogen haben knnte.»