
Colm Tibn: Gedichte ber die lang versteckte Homosexualitt
Zahlreiche Romane, Erzhlungen und Bhnenstcke hat der 1955 in Enniscorthy geborene irische Schriftsteller, Journalist und Literaturkritiker Colm Tibn geschrieben. 2022 erschien von ihm erstmals auch ein Lyrikband, der jetzt von Michael Krger und Volker Schlndorff bersetzt in der Edition Lyrik Kabinett bei Hanser erschienen ist.
In ihrem Nachwort weisen die mit Tibn durch Freundschaft und knstlerische Projekte verbundenen bersetzer fr mit der irischen Geschichte nicht so vertraute Lesende darauf hin, dass der Titel des Buchs «Vinegar Hill» (Amazon-Affiliate-Link ) nichts mit Essig zu tun habe. Vinegar Hill ist ein Hgel im County Wexford, in dem auch Tibns Geburtsort liegt direkt dem Knigreich gegenber. Auf diesem Hgel fand 1798 die letzte groe Entscheidungsschlacht zwischen den Iren und den Truppen der englischen Krone statt, die mit der blutigen Niederlage der Iren endete, die damit ihr Land und ihre politische Selbstbestimmung verloren, nicht aber ihren Willen zur Freiheit und ihren freien Geist.
Aufbegehren gegen verkrustete Autoritten
Der unbndige Drang nach Freiheit und das Aufbegehren gegen verkrustete Autoritten durchzieht auch das Werk von Colm Tibn, der in Sichtweite von Vinegar Hill geboren wurde, mit zwanzig Jahren nach Barcelona ging und 1978 zunchst vor allem als Journalist nach Irland zurckkehrte. Im Unterschied zu seinem mannigfaltigen Prosawerk ist Tibn als Lyriker, wie er selbst sagt, eher ein «occasional poet», der aus Gelegenheiten Gedichte kreiert und wie die Texte in «Vinegar Hill» zeigen, besonders aus selbst erlebten Situationen heraus. So sprechen die Gedichte von seiner Familiengeschichte, dem Tod seiner Eltern und Brder, der katholischen Erziehung, seiner Liebe zu Film und Kino, dem Besuch von Kennedy im unscheinbaren Wexford, seiner journalistischen Arbeit in Nordafrika und seinem ber lange Zeit versteckt gehaltenen Schwulsein.
Die Gedichte kommen in klar gegliederten Strophen daher, prosanah im Ton und ohne Reim, was ihren aus dem subjektiven Erleben der Situationen geborenen Charakter noch unterstreicht. Sie sind schnrkellos, punktgenau, aber durchaus auch melancholisch wenngleich eher im Unterton und beim zweiten Lesen als im expliziten Duktus. So beschreibt das Gedicht «Dublin, Samstag, den 23. Mai 2015» das jahrzehntelange Versteckspiel schwuler Mnner aus der Situation des Rckblicks, konkret der Einfhrung der gleichgeschlechtlichen Ehe heraus, einem Moment, in dem die Jungen feiern und die lteren, deren Leben von der staatlichen Strafverfolgung ihrer Sexualitt geprgt war, schon gar nicht mehr dazuzugehren scheinen, weil sie «nicht schwul genug aussehen»:
Ein queerer Blick auf die Welt
Es gibt in «Vinegar Hill» nur wenige Gedichte, aus denen das Thema Schwulsein explizit hervorscheint vielleicht auch ein spter Reflex auf das Erleben so langen Verbergens der eigenen sexuellen Orientierung. Was Tibns Gedichte aber durchgngig prgt, ist ein anderer Blick auf all die Situationen, die in «Vinegar Hil» beschrieben werden: ein Blick der mit unprtentisen und zum Teil auch frisch-frechen Worten klarstellt, dass Konventionen und gesellschaftliche Muster zutiefst fragwrdig sind.
Ein queerer Blick auf die Welt.
Links zum Thema:
Mehr Infos zum Buch, Leseprobe und Bestellmglichkeit bei amazon.de
Mehr queere Kultur:
auf sissymag.de
Informationen zu Amazon-Affiliate-Links:
Dieser Artikel enthlt Links zu amazon. Mit diesen sogenannten Affiliate-Links kannst du queer.de untersttzen: Kommt ber einen Klick auf den Link ein Einkauf zustande, erhalten wir eine Provision. Der Kaufpreis erhht sich dadurch nicht.