Den Strafvollzug diverser machen
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Den Strafvollzug diverser machen

In der Gesellschaft ist es lngst blich, etwa bei Bewerbungen mit der Beschreibung «m/w/d» das auszudrcken, was das Bundesverfassungsgericht rechtlich anerkannt hat: Es gibt mehr als zwei Geschlechter. Aber noch immer wollen nicht alle das rechtlich anerkennen. Die binre Welt existiert fort. Ein eher trauriges Bild zeigt insofern der Strafvollzug, der seit 2006 Lndersache ist. In den Landesstrafvollzugsgesetzen fehlt es teilweise noch immer an einer Regelung, die auch das sogenannte dritte Geschlecht beziehungsweise nichtbinre Menschen einbezieht, die im Strafvollzug untergebracht werden sollen.

Diese Regelungslcke bezieht sich auf den sogenannten Trennungsgrundsatz. Dieser regelt die Unterbringung nach Geschlecht und gilt in einigen Bundeslndern in der Form, wie ihn bereits das frhere Bundesstrafvollzugsgesetz von 1977 in Paragraf 140 Absatz 2 Satz 1 kannte: ausschlielich bezogen auf Mnner und Frauen. Im Bundesstrafvollzugsgesetz hie es dazu: «Frauen sind getrennt von Mnnern in besonderen Frauenanstalten unterzubringen.» Diese Regelung findet sich beinahe wortgleich heute noch etwa im Bayerischen Strafvollzugsgesetz (Artikel 166 Absatz 2) oder im Strafvollzugsgesetz von Nordrhein-Westfalen (Paragraf 85 Satz 1) oder im Saarlndischen Strafvollzugsgesetz (Paragraf 10 Satz 1). Die Liste liee sich fortsetzen.

Gesetze verharren auf binrer Sichtweise

Nun knnte man einwenden: Sollen doch die binren Regelungen einfach entsprechend auf nichtbinre Gefangene angewendet werden. So hat es das Oberlandesgericht Saarbrcken in seinem Beschluss vom 16. September 2020 (Az. Vollz(Ws) 11/20) entschieden. Das Problem besteht aber fort, die in den Lndern aktuell geltenden Strafvollzugsgesetze verharren auf binrer Sichtweise. Und das, obwohl etwa Bayern bei Stellenangeboten in seinen Ministerialblttern (siehe nur BayMBl. 2024 Nr. 499) bereits die Bezeichnung «m/w/d» kennt und damit auch diese Menschen anerkennt. Ferner hatte das Oberlandesgericht Saarbrcken bereits 2020 klargestellt, dass «auch bei Strafgefangenen mit dem Geschlecht ‹divers› zu bercksichtigen» sei, «dass die Organisationsform der Trennung nach dem Geschlecht dem Schutz der Intim- und Sexualsphre dient». Welche Folgen aber die falsche Unterbringung haben kann, zeigt in trauriger Weise ein Fall aus dem Hamburger Vollzug. 2022 beging eine trans Frau Suizid, nachdem sie «von mnnlichen Insassen ‹massiv gemobbt› worden» sein soll.

Es gilt daher, den Strafvollzug in rechtlicher Hinsicht diverser zu machen. Dabei gibt es, wenn man erneut den Blick bundesweit schweifen lsst, bereits Vorbilder. So etwa Hamburg. Das Hamburgische Strafvollzugsgesetz sieht in Paragraf 98 Absatz 4 seit 2023 eine eigene Regelung fr gefangene Menschen vor, «deren amtlicher Personenstandseintrag divers oder keine Angabe zum Geschlecht als Geschlechtsangabe enthlt». Doch nicht nur das: Das Hamburgische Strafvollzugsgesetz erkennt ein grundstzliches Wahlrecht dieser besonders vulnerablen Personengruppe an («sind ihrem Wunsch entsprechend in einer Anstalt fr Frauen oder Mnner unterzubringen»). Ergnzt wird diese Regelung durch eine Allgemeinverfgung «Umgang mit trans*-, intergeschlechtlichen und nicht-binren Personen» der Justizverwaltung.

Genitalien sollten nicht ber Unterbringungsfrage entscheiden

Vor diesem Hintergrund ist es nicht nur ein betrbliches Zeichen, dass einige Bundeslnder mit ihren Strafvollzugsgesetzen noch immer auf dem Stand von 1977 und einer binren Geschlechterordnung verharren. Auch steht zu befrchten, dass bei Anwendung der binren Regeln auf nichtbinre Gefangene deren besondere Vulnerabilitt nicht ausreichend Bercksichtigung findet, sondern die Unterbringungsfrage primr nach Genitalien entschieden wird. Insofern ist die Entscheidung des Oberlandesgerichts Saarbrcken nicht als Freifahrtschein zu verstehen, die bestehenden Regelungen unverndert zu lassen. Im Gegenteil: Die entsprechende Anwendung der binren Regelungen kann nur ein vorlufiger Behelf sein. Und dass das Oberlandesgericht Saarbrcken vor knapp vier Jahren seine Entscheidung getroffen hat, macht das Anliegen und die Forderung an die Landesgesetzgeber nur drngender.

Mein kurzfristiger Wunsch ist daher, dass sich die betroffenen Lnder das Hamburgische Strafvollzugsgesetz zum Vorbild nehmen und ebenfalls sowohl das dritte Geschlecht in ihre Regelungen aufnehmen als auch ein grundstzliches Wahlrecht dieser Gefangenen, was ihre Unterbringung angeht. Doch damit nicht genug. Lngerfristig und mit steigender Zahl nichtbinrer Gefangener sollte schlielich auch ber die Schaffung eigener Vollzugsabteilungen nachgedacht werden.

Dr. Lorenz Bode, Jahrgang 1989, ist Staatsanwalt und lebt in Magdeburg. Der Kommentar gibt ausschlielich seine Privatmeinung wieder.