Der Justizminister stt trans Eltern vor den Kopf
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Der Justizminister stt trans Eltern vor den Kopf

Im Januar dieses Jahres verffentlichte das Bundesjustizministerium (BMJ) ein Eckpunktepapier zur Reform des Abstammungs- und Familienrechts. Inzwischen ist dazu ein Referentenentwurf bekannt geworden nmlich das Abstammungsrechtsreformgesetz (queer.de berichtete). Es soll der gesellschaftlichen Entwicklung, wie sie sich etwa durch die Ehe fr alle, aber auch durch weitere Familienformen ergeben hat, Rechnung tragen. Also schauen wir uns das Modernisierungsvorhaben einmal genauer an.

Zur Erinnerung: Keine Bundesregierung zuvor trat jemals mit einem «Aktionsplan Queer Leben» an wie die Ampelkoalition bei ihrem Regierungsantritt Ende 2021. In dem umfangreichen Papier waren alle Versumnisse der vorangegangenen Regierungen der letzten Jahrzehnte in Sachen queer aufgelistet gleich, ob es um den Bereich rechtliche Anerkennung, Teilhabe, Sicherheit (Stichwort Gewaltschutz) oder um Gesundheit ging. Das lie die Hoffnungen in der queeren Community mchtig aufblhen.

Queerpolitische Bilanz der Ampel eher drftig

Doch was ist aus dem queerpolitischen Ehrgeiz geworden? Fr den Bereich rechtliche Anerkennung sind fnf Projekte aufgelistet: nderung des Artikel 3 des Grundgesetzes (Stichwort Schutz der sexuellen Identitt), das Abstammungs- und Familienrecht, das Selbstbestimmungesetz, die Reform des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes und schlielich das Thema Geflchtete LSBTIQ unter dem Aspekt ihrer besonderen Schutzbedrftigkeit.

Die eher drftige Bilanz: Lediglich das Selbstbestimmungsgesetz (SBGG) ist nach drei Jahren Regierungsarbeit realisiert worden und tritt bekanntlich am 1. November in Kraft. Wir mssen hier die unselige Diskussion um das SBGG mit all ihrer berechtigten Kritik an bestimmten Regelungen nicht wiederholen, denn eines ist damit auf jeden Fall erreicht: Der diskriminierungsfreie, weil gutachtenfreie Zugang zum richtigen Geschlechtseintrag und Namen durch Selbstauskunft. Das immerhin ist geschafft, wenn auch mit Blick auf das Thema Geflchtete mit leider zu vielen Ausschlssen.

Wir wollen moderner werden, aber die Tradition nicht anrhren

Nun also, ein Jahr vor der nchsten Bundestagswahl, steht ein weiteres groes Reformvorhaben in den Startlchern des parlamentarischen Gesetzgebungsverfahrens das Abstammungs- und Familienrecht. Vor neun Monaten fiel mein Kommentar zu den Eckpunkten ernchternd aus. Denn das Thema trans Eltern kam dort einfach nicht vor. Deshalb die Frage: Hat sich mit dem Referentenentwurf in dieser Hinsicht jetzt etwas verndert?

Nein, obgleich in Artikel 5 des Entwurfs Bezug genommen wird auf das SBGG. Auch wenn in der Einleitung zum Gesetzentwurf vom Reformbedarf gerade durch das SBGG die Rede ist, also Regelungsbedarf bestehe «fr Menschen mit gendertem, keinem oder dem Geschlechtseintrag ‹divers›, die die Eltern eines Kindes sind oder werden wollen», lautet die verquere Schlussfolgerung daraus: Es bedrfe einer Reform, «die die traditionelle Elternschaft von Mutter und Vater bestehen lsst []». Genau das aber funktioniert nicht bei trans Elternschaft, die in einem wesentlichen Punkt eben nicht «traditionell» aufgestellt ist.

Das BMJ scheint hier nach der Devise zu verfahren, wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass. Wir wollen moderner werden, aber die Tradition nicht anrhren. Das ist ungefhr so, als ob man auf hundert Prozent Digitalisierung setzt, aber nur Faxgerte dafr zur Verfgung stellt. Klarstellen mchte ich: Ich beschrnke mich hier ausdrcklich auf das Thema trans Elternschaft und verkenne keineswegs die enormen und berflligen Verbesserungen, die die Reform unter anderem fr nichteheliche, gleichgeschlechtliche und sogenannte Regenbogenfamilien bringt.

Das Selbstbestimmungsgesetz wird einfach ignoriert

Was heit das nun konkret? Mit «Tradition» meint das BMJ: «Ein Kind hat auch knftig nur zwei rechtliche Eltern.» Einverstanden, aber dann folgt: «Die Frau, die das Kind gebiert, ist auch knftig stets die Mutter des Kindes [].» Und genau hier liegt der berhmte Hase im Pfeffer. Denn wir kennen ja lngst gebrende Vter, nmlich trans Mnner, deren Geschlechtszugehrigkeit per Gerichtsbeschluss als mnnlich festgestellt wurde und die weiter gebrfhig sind. Mit der Geburt eines Kindes wird mal eben die genderte Geschlechtszugehrigkeit bergangen und so getan, als existiere sie nicht, um den trans Mann mit der Geburt kurzerhand als Mutter in die Geburtsurkunde des Kindes einzutragen.

Die vorangegangene Personenstandsnderung ist also das Papier nicht wert, auf dem sie beglaubigt wurde. Nun hat gerade jngst der Europische Gerichtshof festgestellt, dass Personenstandsnderungen verbindlich in allen EU-Mitgliedsstaaten anerkannt werden mssen (queer.de berichtete). Und auch das SBGG sagt nirgendwo, dass eine Personenstandsnderung nur eingeschrnkt gltig sein soll. Im Gegenteil, es bekrftigt deren vollumfngliche Gltigkeit, und es bekrftigt, was 2011 und 2017 das Bundesverfassungsgericht als verbindlich verkndete nmlich die Beantwortung der Geschlechtszugehrigkeit unabhngig von krperlichen Merkmalen zu ermglichen.

Ein trans Vater wird als «Geburtsmutter» misgendert

Was das BMJ mit «Tradition» meint, findet sich in 1591 BGB, wo es heit: «Mutter ist die Frau, die das Kind geboren hat.» Gendert werden soll lediglich der Begriff Mutter in «Geburtsmutter», um etwa in lesbischen Ehen mit zwei Mttern eine eindeutige Zuordnung zu ermglichen. Es ist die «Geburtsmutter», die als erstes Elternteil in die Geburtsurkunde des Kindes eingetragen wird. Der Eintrag fr das zweite Elternteil ist fr trans und nichtbinre Menschen dann eher problemlos, welch Wunder, weil hier der jeweils aktuelle Personenstand Bercksichtigung findet. Im Gesetzentwurf heit es dazu: «Hat eine Person einen genderten, keinen oder den Geschlechtseintrag ‹divers›, wird sie in gleicher Weise Elternteil des Kindes wie eine Frau oder ein Mann, ohne dass ihr Geschlecht der Zuordnung entgegensteht.»

Immer dieser rger mit der Biologie, der gar nicht sein msste, wenn wir ein wenig unverkrampfter auf die Lebenswirklichkeit einer kleinen Gruppe von Menschen schauen wrden in unserem Fall von trans und nichtbinren Menschen im Allgemeinen und von trans Mnnern im Besonderen. Es ist offensichtlich, dass die berwiegende Mehrheit der Menschen fein ist mit der Mutter- und Vater-Zuordnung. Weshalb sich fr sie nichts, aber berhaupt nichts ndern wrde, wrde der 1591 BGB beispielsweise eine kleine Ergnzung erfahren, wo es dann heien knnte: «Mutter ist die Frau, die das Kind geboren hat, ausgenommen in Fllen einer genderten Geschlechtszugehrigkeit. Nheres regelt das Abstammungsrecht in Verbindung mit dem SBGG.»

Jedenfalls darf eine nderung des Personenstands keine Geschlechtszugehrigkeit zweiter Klasse sein. Denn Transsein ist eine Lebenswirklichkeit, wie sie es in Fragen der Geschlechtsidentitt fr den groen Rest der Gesellschaft eine ist. Darin unterscheiden wir uns in nichts. Wir leben nicht im Modus des Als-ob, auch wenn das immer wieder gewisse Leute mit ihrem ignoranten Biologismus behaupten.

Der Entwurf ist respektlos gegenber trans Menschen

Trans und nichtbinre Menschen weiterhin in ihrem Geburtsgeschlecht ansprechen zu wollen, das nicht ihrer Geschlechtsidentitt entspricht, kann ich nicht anders als borniert nennen. Wer das mit einem biologisch fundierten Geschlechtsbegriff zu rechtfertigen versucht, sagt doch nur, dass ihm der Anstand fehlt, um anderen Menschen respektvoll zu begegnen. Fatal wird es nur, wenn Reformen ausgerechnet diejenigen ausklammert und so offensichtlich benachteiligt, die diese Reform am dringendsten ntig htten.

«Wer Gender Trouble im Abstammungsrecht aussht, wird queere Rechtsmobilisierung ernten.» So kommentierte die Anwltin Lucy Chebout den Passus zur trans Elternschaft im SBGG. Wer es mit der Selbstbestimmung ernst meint, der muss das Identittsgeschlecht auch im Fall der biologischen Elternschaft voll anerkennen. Warum nicht zur Abwechslung in Sachen Freiheitsrechte mal einen groen Wurf landen? Der Referentenentwurf zum Abstammungsrecht bleibt beim Thema trans Elternschaft klar hinter der Ziellinie.