
Die Initiative Queer Nations in der Schmollecke
Die Mitglieder des Vereins Initiative Queer Nations (IQN) haben am 5. Juli einen neuen Vorstand gewhlt und danach in einer «Queer Release Party» in der «taz»-Kantine in Berlin das «Jahrbuch Sexualitten 2024» vorgestellt und gefeiert (ausfhrliche Besprechung folgt).
Damit IQN auf vertrautem Kurs bleibt, wurde erneut Jan Feddersen als Vorsitzender besttigt und dazu Clemens Schneider als sein Stellvertreter. Neu im Vorstand ist die Medizinerin Marion Hulverscheidt (Universitt Kassel). Schneider hat katholische Theologie studiert, war einmal Mnch und ist heute Direktor von «Prometheus. Das Freiheitsinstitut». Mit von der Partie ist nun auch Till Randolf Amelung, der vor allem redaktionelle Arbeit fr die Webseite von IQN leistet.
Also alles mehr oder weniger wie gehabt. Dass sich bei der IQN etwas ndert, war und ist freilich nicht zu erwarten. Wolf Biermann hatte einst gesungen, nur wer sich ndert, bleibt sich treu. Hat sich bewhrt, wie mir meine schon etwas lngere Lebenserfahrung besttigt. Aber dazu msste man zur Selbstkritik fhig sein und die zhlt zu den Begabungen, die sehr ungleich verteilt sind.
Die IQN im Kampf gegen den «Mainstream»
Eigentlich knnten wir hier zur Tagesordnung bergehen, wenn da nicht ein paar Bemerkungen in der Pressemitteilung von IQN wren, die beim Lesen unterschiedlichste Reflexe zwischen amsiert, stutzig und rgerlich bei mir auslsten. Zum Beispiel wenn Herr Feddersen als Mitherausgeber des Jahrbuchs erklrt: «Wir haben zu unserer groen Freude einen lesbischen Schwerpunkt in dieser Ausgabe, was mich persnlich sehr glcklich macht.» Als Mitherausgeber hat er schon immer die Inhalte des Jahrbuchs mitbestimmt. Das groe persnliche Glck, fr lesbische Sichtbarkeit einzustehen, htte er sich schon lngst gnnen knnen. Schade nur, dass bestimmte Lesben da auch wieder nicht vorkommen und auen vor bleiben.
Was die Diskursoffenheit und Unabhngigkeit des Vereins angeht, heit es: «Mainstream ist uns fremd, wir machen uns unsere eigenen Kpfe!» Daran ist nun nicht zu zweifeln und was das fr Kpfe sind. Doch dann kommt durch die Hintertr der eigentliche Sinn zum Vorschein. Weil IQN keine staatlichen Zuwendungen erhlt (die sie mit Sicherheit gerne nehmen wrden), knnen sie unabhngig sein. Die anderen, die gefrdert werden, sind es demzufolge nicht und deshalb nur Mainstream. Namen werden nicht genannt. Dennoch: Nachtigall, ick hr dir trapsen, wie wir in Berlin sagen. Gut, Mainstream ist immerhin mehrheitsfhig.
Queeres Kulturhaus: Erst vergeigt, aber weiterhin «mit Verve im Blick»
Aber es heit auch: «Wir freuen uns auf alle Untersttzung, die wir bekommen und auf uns selbst, die wir das Projekt eines Queeren Kulturhauses weiterhin mit Verve im Blick behalten.» Mal nebenbei gefragt: Wer soll da eigentlich mit rein? Das Lesbenarchiv Spinnboden, das feministische Archiv FFBIZ und die Magnus Hirschfeld Gesellschaft (nicht zu verwechseln mit der Bundesstiftung) hatten sich bereits 2019 daraus verabschiedet und aus nachvollziehbaren Grnden.
Nicht dass ich etwas gegen ein queeres Kulturhaus htte im Gegenteil. Das wre fr die selbsternannte Regenbogenhauptstadt Berlin unbedingt wnschenswert. Doch wenn das funktionieren soll, ginge das ja nur als ein wirklich pluralistisches Projekt. Denn Austausch und wirkliche Reprsentanz kann es nur geben, wenn alle auf die Bhne drfen und nicht nur die, die die Vereins-Parteilinie erfllen.
Die IQN als Grnder der Bundesstiftung Magnus Hirschfeld?
Dann noch ein Wort zu dieser Bemerkung: «Zu den grten bisherigen Erfolgen von IQN zhlt die Einrichtung der Bundesstiftung Magnus Hirschfeld im Jahr 2011.» Ja, die IQN sitzt im Kuratorium der Bundesstiftung (BMH), aber ist diese ein ihr zuzuschreibender Erfolg? Die Bemerkung klingt ganz danach.
Der Wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestages hat die Entstehungsgeschichte der BMH in einer lesenswerten Chronologie verffentlicht. Da kommen alle mglichen Namen und Organisationen drin vor, seltsamerweise aber nirgendwo die IQN. Was ist da blo geschehen? Ein Fall von Geschichtsklitterung?
Wie es aussieht, hat sich die IQN lngst in der Schmollecke gemtlich eingerichtet und will da auch nicht mehr raus. Schlielich sieht sie sich als die einzige Initiative weit und breit, die wei, wie Diskursoffenheit geht. Auerdem sieht sie sich als Hterin der wahren und reinen Lehre in Sachen geschlechtliche Identitt und Selbstbestimmung. Und in dieser Rolle ist sie wirklich trotzig.