Die queeren Highlights bei der Dokumentale
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Die queeren Highlights bei der Dokumentale

Glamour, Schnheit, eine androgyne Erscheinung, politische Aufrichtigkeit: Der queere Weltstar Marlene Dietrich begeistert bis heute. In ihrer Geburtsstadt Berlin inspiriert sie die Erffnung der zweiten Ausgabe der Dokumentale: «Glanz & Widerstand», das Experiment einer immersiven Ballett-Performance, will den Mythos Marlene auf neue Weise erkunden. Sie ldt das Publikum ein, am kreativen Prozess mit ungewohnten Perspektiven auf ihre Biografie teilzuhaben. So soll dokumentarisches Erzhlen «nicht nur erzhlt, sondern erlebbar werden».

Neben diesem interessanten, neuen Ansatz steht vor allem der klassischere Dokumentarfilm auf dem Programm der Dokumentale: Das Festival prsentiert vom 12. bis 22. Juni 40 Dokumentarfilme. Mit dabei sind auch queere Highlights.

Any Other Way: The Jackie Shane Story

Die kanadische Doku von Michael Mabbott und Lucah Rosenberg-Lee portrtiert Jackie Shane, eine bahnbrechende Soul-Sngerin und Schwarze trans Knstlerin. In den 1960er Jahren prgte sie die Musikszene eine Zeit, in der es so gut wie keine trans Musiker*innen sichtbar waren. Jackie Shane starb 2019. Jetzt wird ihre Geschichte erzhlt: durch ungehrte Aufnahmen, lebendige Animationen und einen beeindruckenden Soundtrack.

Sabbath Queen

Sohn von Israels hchstem orthodoxen Rabbi mit 38 Generationen von Rabbinern in der Ahnentafel, Dragqueen, schwuler Vater, geboren am israelischen Unabhngigkeitstag: Amichai Lau-Lavie ringt mit Tradition und Rebellion. Fr seinen Film hat Regisseur Sandi DuBowski den queeren Aktivisten ber 20 Jahre mit der Kamera begleitet. Es ist nicht sein erster Film ber queeres Judentum: Fr «Zittern im Angesicht des Herrn» ber queere orthodoxe Jdinnen*Juden gewann er 2001 einen Teddy Award.

Animal Pride

Homosexualitt ist unnatrlich! Ja, das hrt man immer noch manchmal. Der Biologe und Filmemacher Connel Bradwell, der sich selbst als «very gay» bezeichnet, geht in «Animal Pride» auf eine faszinierende Spurensuche durch die queere Tierwelt. Sein Anliegen: Er will die Coming-out-Story der Natur erzhlen.

Seine Erkundungstour beginnt bei Bananenschnecken, die als Hermaphroditen bei der Fortpflanzung sowohl als Weibchen wie auch als Mnnchen fungieren. Sie knnen sich sogar selbst befruchten. Auf Hawaii beobachtet er den Laysanalbatros. Etwa ein Drittel der Paare bestehen aus zwei Weibchen, die monogam und ein Leben lang zusammen leben.

Besonders interessant ist sein Ausflug ins Londoner Natural History Museum: Dort erfhrt er, dass schon 1910 homosexuelles Verhalten von Pinguinen in der Antarktis beobachtet wurde. Der Aufsatz wurde aber nicht publiziert, weil er sich nicht mit den damaligen Moralvorstellungen vertrug. Erst 2012 verffentlichte das Museum den Forschungsbericht.

Das ist nicht nur fr queere Menschen relevant, weil sie so einen Beweis dafr haben, dass Queerness total natrlich ist. Das ist vor allem relevant, um die bedrohten Arten besser zu schtzen. Das gelingt nur, wenn man sich ein vollstndiges Bild der Tiere und ihrer Lebensweise machen kann.
«Animal Pride», eine Deutschlandpremiere bei der Dokumentale, ist nicht nur kurzweilig und informativ, die Doku zeigt mit ihren wilden Schnitten und der plakativen Popmusik, dass Wissensvermittlung im YouTube-Stil auch ber 50 Minuten funktioniert. Connel Bradwell ist ein fantastischer Host, der eine Vielzahl an klugen Gesprchspartner*innen trifft. Dabei bertrgt sich seine Begeisterung fr die Natur vollends.

Sally Pionierin des Weltalls

Der Dokumentarfilm «Sally Pionierin des Weltalls» erzhlt das Leben von Sally Ride, die als erste Astronautin Geschichte schrieb. Das ist teils ermutigend, weil sie ein Vorbild fr viele war, aber auch bedrckend, weil sie jahrelang ihre lesbische Beziehung geheim hielt. 27 Jahre lang war sie mit Tam O’Shaughnessy zusammen, die erstmals ffentlich ber ihre Liebe spricht.

Sally studierte Astrophysik in Stanford und wurde von der NASA als Astronautin ausgewhlt. Doch mit der Aufnahme ins Programm begannen auch die Herausforderungen: Sie musste sich sexistische Fragen bei Pressekonferenzen anhren und wurde stndig darauf reduziert, eine Frau zu sein. Trotzdem blieb sie souvern und professionell.

Ihr groer Moment kam 1983 mit dem Flug an Bord der Challenger. Eine halbe Million Menschen verfolgten den Start live vor Ort, und Sally wurde zum Vorbild fr unzhlige junge Frauen. Sie war fr kurze Zeit die berhmteste Frau der Welt doch ihre Liebe zu Tam musste weiter geheim bleiben. Sie hatte mitbekommen, wie die Spitzen-Tennisspielerin Billie Jean King gezwungen wurde, ihre Homosexualitt ffentlich zu machen. Das hielt sie ihr Leben lang davon ab, ber ihre Liebe zu sprechen.

Erst nach ihrem Tod 2012 machte Tam die Beziehung offiziell in der Todesanzeige. «Sally Pionierin des Weltalls» von Regisseurin Cristina Costantini ist eine klassische biografische Doku und ein starkes Pldoyer fr mehr Sichtbarkeit und Akzeptanz.