
EuGH-Generalanwltin: Ungarns «Homo-Propaganda»-Gesetz verstt gegen EU-Recht
Im Verfahren um mutmalich diskriminierende Gesetze in Ungarn hat die Generalanwltin des Europischen Gerichtshofs (EuGH) in Luxemburg eine erhebliche Entfernung Ungarns von den Grundwerten der EU festgestellt (AZ. C-769/22). Ungarn vertrete nicht nur andere Auffassungen der Grundwerte der EU, schrieb Generalanwltin Tamara Ćapeta in ihren Schlussantrgen. «Vielmehr habe Ungarn mehrere dieser grundlegenden Werte negiert und sich damit erheblich vom Modell einer verfassungsmigen Demokratie () entfernt.»
In dem Verfahren geht es unter anderem um das 2021 beschlossene «Homo-Propaganda»-Gesetz (queer.de berichtete). Das Gesetz beschrnkt oder verbietet Darstellungen gleichgeschlechtlicher Partnerschaften oder von Transidentitt etwa im Fernsehen und in Bchern. Sie mssen mit dem Hinweis «Verboten fr unter 18-Jhrige» versehen werden, Filme drfen nicht mehr zu Hauptsendezeiten ausgestrahlt werden.
Die Kommission von Prsidentin Ursula von der Leyen hatte Ungarn wegen des «Homo-Propaganda»-Gesetzes und weiteren Regelungen verklagt, die der autoritren Regierung von Ministerprsident Viktor Orbn zufolge dem Jugendschutz und dem Schutz vor dem sexuellen Missbrauch von Kindern dienen sollen. Insbesondere queere Organisationen beklagten, dass es in Wirklichkeit aber nur die Sichtbarkeit queerer Menschen einschrnkt. 16 Mitgliedslnder, darunter Deutschland, und das Europaparlament schlossen sich der Klage an.
#ECJ #AG apeta: Hungary breached #EUlaw by banning or limiting access to #LGBTI content https://t.co/ATb3CgbPxg
Die Schlussantrge sind fr die urteilenden Richter*innen nicht bindend. Sie folgen ihnen aber in der groen Mehrheit der Flle. Ćapeta hatte etwa im Herbst 2022 festgestellt, dass das polnische Antidiskriminierungsrecht queere Menschen diskriminiert drei Monate spter verkndete der Gerichtshof eine gleichlautende Entscheidung (queer.de berichtete). Wann das Urteil im neuen Fall gegen Ungarn verkndet wird, ist bisher nicht bekannt.
Generalstaatsanwltin: Ungarn verstt gegen EU-Vertrag
Nach Ansicht der Brsseler Behrde verstt Ungarn damit unter anderem gegen Artikel 2 des Vertrags der Europischen Union. Darin heit es, dass die «Wahrung der Menschenrechte einschlielich der Rechte von Personen, die Minderheiten angehren», einer der EU-Werte sei, die alle Mitgliedsstaaten anerkennen mssen. Derlei Verste knnten mit einem Stimmrechtsentzug in der EU geahndet werden.
Ungarns Argumentation berzeugte die Generalanwltin nicht. Unter Berufung auf den Jugendschutz wrde die Darstellung des normalen Lebens queerer Menschen verboten, erklrte sie. Die Regelungen beschrnkten sich gerade nicht darauf, Minderjhrige von pornografischen Inhalten abzuschirmen, die in Ungarn schon zuvor verboten gewesen seien. Sie beruhten vielmehr auf dem Werturteil, dass homosexuelles und nicht cisgeschlechtliches Leben nicht den gleichen Wert oder Rang habe.
Die Generalanwltin empfahl daher den Richterinnen und Richtern, der Klage der Kommission stattzugeben. Die fehlende Achtung oder Ausgrenzung einer gesellschaftlichen Gruppe seien rote Linien, die sich aus den EU-Werten ergben.
Wegen seiner queerfeindlichen Politik steht Ungarn seit lngerer Zeit in der Kritik. In der vergangenen Woche forderten 20 EU-Lnder die Kommission deshalb zu schnellem Handeln gegen die ungarische Regierung auf (queer.de berichtete). Die Unterzeichnerlnder, darunter Deutschland, zeigten sich «zutiefst besorgt» ber die jngste Gesetzgebung in Ungarn. Dabei ging es insbesondere um ein Mitte Mrz vom ungarischen Parlament verabschiedetes Gesetz, das als Grundlage fr ein Verbot der Budapester Pride-Parade gilt. (dpa/AFP/cw)