Frau bi, Bruder schwul: Eine queere Dreiecksgeschichte in den 1950er Jahren
4 mins read

Frau bi, Bruder schwul: Eine queere Dreiecksgeschichte in den 1950er Jahren

Weie Weihnachten: Im Kansas der 1950er Jahre kein seltenes Bild. Nun aber sind es vor allem heie Weihnachten, wenn sich Julius (Jacob Elordi) oberkrperfrei auf einer Motorhaube rkelt. Die Sonne scheint ihm auf den Krper. Daneben liegt sogar Schnee wenn auch eher pro forma, um daran zu erinnern, dass Winter ist. Von Klte ist hier keine Spur.

«Ich wei, wer du bist», ruft Julius frech. Oben im Fenster steht seine Schwgerin, gedankenverloren raucht Muriel eine Zigarette. Sie trgt noch ein Nachthemd, schaut verdutzt. Ein heier berraschungsbesuch.

Lee will den amerikanischen Traum leben

Zu dritt feiern sie Weihnachten. Lee, Muriels Partner und Julius› Bruder, der gerade erst aus dem Korea-Krieg nach Hause gekehrt ist. Muriel macht ihm das schnste Geschenk: Zum Heiratsantrag sagt sie Ja. Endlich. Sie hatte lnger gezgert.

Damit steht fr Lee nichts mehr im Weg. Jetzt ist es fr Lee an der Zeit, aus dem Mittleren Westen abzuhauen und sich in der kalifornischen Sonne ein Bilderbuchleben aufzubauen: Geregelte Jobs, Einfamilienhaus in der Vorstadt, Grillpartys, Kinder. Der amerikanische Traum eben.

Wirtschaftsboom und traditionelle Rollenbilder

Fr ihn gehrt auch sein Bruder Julius dazu, doch der verschwindet. Statt nach San Diego zieht es ihn nach Las Vegas, wo er anfngt, in einem Casino zu arbeiten. In der Zocker-Hauptstadt hat er Glck im Spiel und Glck in der Liebe: Er beginnt eine leidenschaftliche Affre mit dem mexikanischen Kollegen Henry deren Form vom amerikanischen Traum. Mit seiner Schwgerin bleibt er telefonisch in Kontakt, Lee erfhrt davon aber nichts. Er ist enttuscht von der Flatterhaftigkeit des Bruders.

Die Dreiecksgeschichte spielt in den 1950er Jahren eine perfekte Zeit fr ein Drama, in dem es um Mehrdeutigkeiten und Identitt gibt. Das hatte schon «Carol» von Todd Haynes bewiesen. Die USA erlebten nach dem Zweiten Weltkrieg einen enormen Wirtschaftsboom, Wohlstand war fr alle greifbar nah. Und obwohl traditionelle Rollenbilder dominierten, lockerten sich so manche Vorstellungen, wenn auch nur graduell.

Muriel ist begeistert von Pferdewetten und ihrer Nachbarin

Fr die eigene Queerness hatten die meisten gar keine Worte. Alles, was nicht cis und hetero war, war tabuisiert, vielerorts auch noch illegal. Und doch grndete sich mit der Mattachine Society 1950 die erste Homo­sexuellen-Organisation des Landes.

Eine Zeit des tiefgreifenden Wandels also der amerikanische Traum bekam mehr Facetten. Das erleben auch Muriel, Lee, Julius und Henry. «On Swift Horses» verbindet geschickt die Geschichten der zwei Paare. Muriel wird ihr Kellner-Job in San Diego zunehmend langweilig, bis sie durch Zufall ihre Begeisterung und ihr Talent fr Pferdewetten entdeckt.

Und noch etwas anderes begeistert sie: die Nachbarin Sandra, bei der sie eigentlich nur Oliven kaufen mchte. Als sie Muriel zu ihrem Buchclub einldt, entdeckt sie eine vllig neue Parallelwelt. Und die gefllt ihr. Whrenddessen fhlt sich Julius mit Henry zum ersten Mal richtig wohl. Doch es ist nur eine Frage der Zeit, bis er wieder wegrennt.

Jacob Elordi, eines der schnsten Gesichter Hollywoods

«On Swift Horses» basiert auf dem gleichnamigen Roman von Shannon Pufahl. Es ist der erste Spielfilm des schwulen Regisseurs Daniel Minahan. Zuvor hatte der US-Amerikaner vor allem bei Serien Regie gefhrt. So war er Teil des Regie-Teams von «Game of Thrones» oder «True Blood».

Das Drama macht auf den ersten Blick vieles richtig: Die Bilder knnen monumental, aber auch intim sein. Die Ausstattung ist hochwertig und sehr sthetisch, ob es die Outfits oder die Kulissen sind. Die Story hat ein paar berraschende Wendungen parat und setzt auf wohldosiertes Drama und ein bisschen Kitsch. Und natrlich ist der Cast unglaublich schn. Der Australier Jacob Elordi, bekannt aus «Saltburn» oder «Priscilla», ist aktuell sicher einer der attraktivsten Hollywood-Stars.

Der Funke springt nicht immer ber

Die schwulen Sexszenen mit ihm erfllen so manche Trume queerer Mnner. Und auch Daisy Edgar-Jones (Muriel), Will Poulter (Lee), Diego Calva als Henry und schlielich Sasha Calle als Sandra sind nicht nur hervorragende Darsteller*innen, sondern entsprechen jeder Schnheitsnorm. Das macht «On Swift Horses» zu einem der hottesten queeren Filme des Jahres.

Statt den titelgebenden schnellen Pferden kommt das Melodrama aber eher langsam voran. Man wrde ihm ein bisschen mehr Tempo wnschen, vor allem aber mehr Gefhl. Die Charaktere untereinander harmonieren, aber der entscheidende Funke springt nicht immer ber.

Vielleicht ist diese perfekt aussehende Welt, in der diese hbschen Figuren leben und leiden, einfach zu unglaubwrdig. Das Regiedebt von Daniel Minahan ist schn anzusehen, aber weit entfernt von einem Meisterwerk.