Hrt endlich auf, euch queer zu nennen!
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Hrt endlich auf, euch queer zu nennen!

Neulich fand wieder mal ein «taz Queer Talk» statt, moderiert von Jan Feddersen der Titel: «Wie queer ist das denn?» Die Gste waren Till Randolf Amelung und Manuela Torelli. Ja, die Frage war hier durchaus berechtigt wie queer ist das denn? Unklar blieb nur, was nun wirklich der Sinn der Veranstaltung sein sollte. Die Absicht war ja wohl nicht, uns ihre Fragwrdigkeit zu vermitteln, oder doch?

Feddersen jedenfalls startete mutig ins Gesprch und versprach am Anfang: «Wir wollen uns inspirieren, wollen richtig in Stimmung kommen.» Schade, hat blo nicht geklappt. Wie auch, wenn der eine sich schwul, die andere sich lesbisch nennt und beide bekennen, mit queer nichts anfangen zu knnen? Erinnert uns an Jens Spahn und Alice Weidel. Whrend der Dritte im Bunde schlielich, der trans Mann Amelung, dazu Erluterungen von fast schon staatstragendem Format lieferte.

IQN-Lob fr den britischen Supreme Court

Doch darum geht es mir in diesem Kommentar eigentlich gar nicht, denn ich bin dummerweise mal wieder auf der Webseite der Initiative Queer Nations (IQN) ach, schon wieder queer! gelandet und dort unweigerlich bei dem von Till Amelung betreuten Blog, um bei der Gelegenheit tatschlich so «richtig in Stimmung zu kommen». Seltsam, ich wei genau, was mich da jedes Mal erwartet und kann es nicht lassen, stets aufs Neue voll ins Weiche zu greifen. Nennt man das vielleicht Masochismus oder Lust zur Selbstbeschmutzung? Da passte als Einstieg der Talk natrlich wie das berhmte i-Tpfelchen.

Zuvor noch rasch die wirklich schnste Szene aus dem Talk: Es ging um die berhmt-berchtigte Frage, wer welche geschlechtsspezifischen Rume betreten darf. Beispiel: Darf eine trans Frau auf die Damentoilette? Die Notdurft-Frage ging natrlich an Manuela Torelli, ihres Zeichens Psychotherapeutin und Psychoanalytikerin in Mnchen. Feddersen hatte von ihr wohl eine andere, eher terfige Antwort erwartet. Torelli aber meinte, Ausschlsse von trans Frauen fnde sie gar nicht gut. Das sei doch «korinthenkackerisch». Hoppla, und gab noch eins drauf, als sie davon sprach, medizinische Geschlechtsangleichungen von trans Frauen zu verlangen, sei fragwrdig und gewaltttig. Absolut richtig. Jan Feddersen machte daraufhin ein Gesicht, als htte er das gerne lschen wollen und die Lschtaste nicht gefunden.

Und nun also zum Blog der IQN. Der eine Text stammt von dem Privatdozenten Andreas Erdmller und nennt im Titel das Selbstbestimmungsgesetz (SBGG) eine «legislative Fehlleistung». Im zweiten Text lobt der schwule Aktivist Dennis Noel Kavanagh aus Grobritannien die «lesbischen Streithelferinnen», die sich das Urteil des britischen Supreme Court erstritten haben, mit dem nun trans Menschen mit dem blichen transfeindlichen Biologismus aus dem Gleichstellungsgesetz geflogen sind.

Unterstellungen mit unsglichen Vergleichen

Zwei Texte, die wie angegossen ins IQN-Format passen. Ich frage mich, wie man als trans Mensch und Amelung, der diesen Blog betreut, ist ja einer -, wie man also als trans Mensch solche Texte lancieren kann, ohne das groe Heulen zu bekommen. Spricht das nicht fr ein ziemlich ungesundes Verhltnis zum eigenen Transsein? Gilt Integritt nichts? Wrde? Selbstbewusstsein? Selbstachtung?

Erdmann behauptet: «meine Argumente drften jedem Leser [sic] einleuchten, der die Konzepte der Menschenwrde und des Rechtsstaates verstanden hat und als Leitideen akzeptiert». Die akzeptiere ich, nur leuchten mir die fnf «Mindestanforderungen» nicht ein, die der Autor beim SBGG nicht erfllt sieht. Es sind nmlich keine Mindestanforderungen, sondern Unterstellungen mit unsglichen Vergleichen. Natrlich steht Biologismus an erster Stelle, nur ist eben trans nicht mit reproduktiver Biologie und Heteronormativitt erklrt, aber deshalb nichts Esoterisches oder ein Aberglaube (fr Erdmann wohl doch).

Die Wrde des Menschen wird auch nicht dadurch verletzt, dass man Namens- und Personenstandsnderungen ermglicht. Im Gegenteil, umgekehrt wird ein Schuh daraus. Und natrlich gelten Gesetze grundstzlich fr alle Menschen und finden trotzdem nur in besonderen Fllen Anwendung, wie eben beim SBGG nmlich im Fall von trans, inter und nichtbinren Personen. Wenn der Autor die Verfassungsrechtsprechung seit den 1970er Jahren kennen wrde, dann wsste er auch, warum es den Begriff Geschlechtsidentitt gibt. Und daran ist nichts unstimmig, weil es schlielich die Menschen gibt, die nicht das Geburtsgeschlecht, sondern die davon abweichende Geschlechtsidentitt leben. Und schlielich muss ein Einzelgesetz nicht alle Bereiche regeln, die fr sich bereits geregelt sind so etwa alles Medizinische.

Existenz von trans Menschen in Frage gestellt

All diese akademische Ahnungslosigkeit verfolgt nur den einen Zweck, trans Menschen zu sagen, ihr bildet Euch das nur ein und Geschlechtsidentitt gibt es nicht, weil es keinen wissenschaftlichen Nachweis gibt. Den gibt es wirklich nicht, aber es gibt Menschen, fr die sie eine existentielle Bedeutung hat. Und hier den lcherlichen Vergleich zu bringen, Menschen wrden ja auch an Seelenwanderung glauben, offenbart den ganzen, als «Rechtsphilosophie» getarnten bswilligen Schwachsinn: «Wer frher Pharao Ramses der Groe war und heute zum Broterwerb Straenbahn fahren muss, kann leicht ins Grbeln kommen und Frustration empfinden.»

Vollends bizarr wird es dann bei Kavanagh, wo es heit: «Wo die Geschlechtsidentitt verankert wird, wird es fr Homosexuelle bald ungesetzlich, sich in gleichgeschlechtlichen Zusammenknften zu organisieren.» Er hat also Angst, dass er keinen cis Mann mehr abbekommt. Wie immer dreht sich alles um ein Ding. Nur dass seine Behauptung vllig absurd ist, ganz abgesehen davon, dass fr Sexualitt, Begehren und Liebe die Menschen selbst zustndig sind.

Aber es geht ja auch nicht um das Menschliche, sondern um «Kriegserklrungen»: «Die Sucht der Gender-Ideologen, ihre Fusoldaten in Angst zu halten, ist ein unerfreuliches Merkmal einer Bewegung, die es nicht gewohnt ist, ‹Nein› zu hren.» Und all das freut die IQN, ihren Leser*innen anbieten zu knnen. Hrt auf, euch queer zu nennen!

Argumentieren wie die extreme Rechte

Das Problem ist doch, dass zwischen der Argumentation in den Blog-Beitrgen und der der extremen Rechten so gut wie keine Unterschiede bestehen, allenfalls in sprachlicher Hinsicht. Mehr als pseudowissenschaftlich aufgemotzt ist das bei IQN nicht. Denn was dort mit vermeintlich intellektuellem Anspruch daherkommt und von wissenschaftlichem Anspruch ist schon gar nicht zu reden, so hohl ist das Ganze -, ist nichts anderes als heie Luft. Die Texte kaschieren doch mehr schlecht als recht ein elendes Geschwurbel. All diese windschiefen Argumentationen haben den gleichen Kern und der heit zuverlssig Ressentiment.

Mir fllt da immer wieder nur diese wunderbare Feministin, Lesbe und Butch Joan Nestle aus den USA ein (um sie macht IQN, kaum berraschend, einen groen Bogen), die bei der Gay Liberation von Anfang an dabei war und eingesehen hat, was mit Blick auf trans alles schiefgelaufen ist:

Und weiter:

Liebe Joan, warum gibt es nicht mehr von Dir?