
Mssen wir Intoleranz tolerieren?
Es ist eine Crux der liberalen Demokratie: Wie umgehen mit anderen Meinungen? Insbesondere wenn die Umsetzung dieser Meinung in reale Politik einem selber schaden wrde.
Ein Streit um diese Frage ist nun in Karlsruhe entbrannt. Dort beteiligt sich der rtliche CSD am 15. Februar gemeinsam mit queeren Vereinen an den bundesweiten Demonstrationen unter dem Motto «Whl Liebe». Damit soll dafr geworben werden, demokratische und der gesellschaftlichen Vielfalt verpflichtete Parteien zu whlen.
Queerfeindliche uerungen am Infostand der LSU
In der Kommentarspalte des Demoaufrufs, der am 8. Januar bei Instagram gepostet wurde, uerten sich einige Mitglieder der Community besorgt ber eine Teilnahme der CDU am CSD Karlsruhe. Zwar sei letztes Jahr nur die LSU, die Organisation Lesben und Schwuler in der Union, mit einem Infostand vertreten gewesen, aber am Stand sei auch ein Mitglied der CDU gestanden («vom Kaliber Gender Gaga», wie ein User schreibt), der sich queerfeindlich geuert habe.
Vergangene Woche postete der CSD nun seine berarbeitete Standrichtlinie: «Auf dem CSD Karlsruhe drfen nur Organisationen vertreten sein, die sich klar fr die Rechte queerer Menschen einsetzen und sich von allen Vorschlgen, Regelungen und Gesetzen distanzieren, die dem entgegensprechen.» Demnach darf die LSU dieses Jahr nicht dabei sein, denn die CDU fordert im aktuellen Wahlkampf, das erst vor kurzem beschlossene Selbstbestimmungsgesetz (SBGG) wieder abzuschaffen. Das wrde trans Menschen der Mglichkeit berauben, ihren Geschlechtseintrag durch Selbstauskunft zu ndern und wre ein herber Rckschritt, trotz der Kritik, die gerade auch aus der Community an den Details des Gesetzes gibt.
LSU reagiert mit sprachlicher Entgleisung
Die Ausladung der LSU hat nun die rtliche CDU ordentlich erzrnt. Den «Badischen Neuesten Nachrichten» sagt die LSU, sich gegen das SBGG auszusprechen und Gendern abzulehnen, sei als Grund nicht ausreichend fr einen Ausschluss. Dann setzen sie noch einen nach: «Doch dem Anschein nach ist kaum Raum fr Differenzierung, Diskussion und abweichende Positionen», es werde versucht die Community mit bestimmten politischen Forderungen «gleichzusetzen und so auch gleichzuschalten».
Sptestens beim Wort «gleichschalten» sollte man inne halten. Dieses Wort kann in Deutschland nur an die erzwungene Eingliederung unabhngiger Organisationen in eine totalitre zentral gelenkte Diktatur erinnern, wie sie die Nazis betrieben haben. Die queere Community ist also mit dem totalitren NS-Regime zu vergleichen, weil sie darauf besteht sich fr alle queere Menschen einzusetzen, nicht nur fr Homosexuelle, sondern auch fr trans Menschen und nichtbinre gleichermaen? Ausgerechnet wir, die von den Nazis verfolgt und ermordet wurden?
Der Versuch, die Community in Gruppen zu spalten
Die «Badischen Neuesten Nachrichten» stoen in einem Kommentar (Bezahlartikel) ins gleiche Horn: Der CSD erhebe selbst «moralische Dogmen». Vielmehr brauche es «Differenzierung und Pluralitt.» Die Ehe fr alle drfe natrlich nicht hinterfragt werden, aber beim Gendern sei das schon anders.
Das ist ein Versuch, die Community in Gruppen zu spalten. Auf der einen Seite die, die es durch lange Kmpfe aber auch gewisse Privilegien einfacher haben, wie schwule cis Mnner, und solche, denen die Gesellschaft oft und immer fter feindselig gegenbersteht, etwa trans Menschen. Die Schwulen knnten leicht die Leiter hinter sich hochziehen, sich bei der Mehrheitsgesellschaft anbiedern und die Forderungen der anderen als bertrieben darstellen.
Doch den Rechten und auch den Konservativen wird es nicht reichen, nur unseren trans Geschwistern ihre Rechte zu nehmen. Die AfD fordert bereits ein Ende der Ehe fr alle. Wie knnen wir sicher sein, dass sich diese Meinung nicht auch im angeblich demokratischen konservativen Lager festsetzt?