
Polen: Queerfeindlicher Kandidat gewinnt Prsidentschaftswahl
Der rechtspopulistische Kandidat Karol Nawrocki hat die Prsidentenwahl inPolenknapp fr sich entschieden. Groe polnische Medien riefen ihn am frhen Morgen zum Sieger aus, die Wahlleitung in Warschau besttigte das Ergebnis nach Abschluss der Stimmauszhlung. Der Sieg des 42-jhrigen queerfeindlichen EU-Skeptikers lsst Vernderungen am auen- und innenpolitischen Kurs des Nachbarlandes erwarten, das in der Europischen Union und der Nato eine wichtige Rolle spielt.
Auf den politisch unerfahrenen Historiker Nawrocki entfielen nach vorlufigen Angaben der staatlichen Wahlkommission 50,89 Prozent der Stimmen in der Stichwahl. Sein Gegenkandidat, der proeuropisch und LGBTI-freundlich eingestellte Warschauer Oberbrgermeister Rafał Trzaskowski, kam auf 49,11 Prozent. Beide Kandidaten bekamen mehr als zehn Millionen Stimmen, Nawrockis Vorsprung betrug etwa 370.000 Stimmen.
Erfolgreiche Revanche der PiS
Nawrocki ist offiziell parteilos, trat aber als Kandidat der rechtspopulistischen PiS an, Polens grter Oppositionspartei. Die PiS regierte das Land von 2015 bis 2023. Sie legte die Justiz an die Kandare der Politik und lag wegen dieses Eingriffs in die Gewaltenteilung im Dauerclinch mit Brssel. Zudem ging die EU-Kommission gegen Polen wegen Queerfeindlichkeit vor (queer.de berichtete).
Zwar kam 2023 wieder ein brgerliches Bndnis an die Regierung (queer.de berichtete). Das fhrte auch zu einem Auftatmen in der LGBTI-Community. Der frhere EU-Ratsprsident Donald Tusk kehrte als Ministerprsident zurck. Doch es blieb bei einem Dauerstreit mit Prsident Andrzej Duda, der ebenfalls aus der PiS stammt und nach zehn Jahren im Amt kein weiteres Mal antreten durfte. Duda bremste Tusks Reformplne mit seinem starken Vetorecht. Der Ministerprsident hoffte, mit dem liberal eingestellten Trzaskowski an der Staatsspitze diese Blockade aufzulsen.
Polen ist ein wichtiger Untersttzer der von Russland angegriffenen Ukraine. Das Land mit knapp 38 Millionen Einwohner*innen sieht sich auch selbst von Moskau bedroht und rstet massiv auf. Anders als in der Slowakei, Ungarn oder Rumnien gibt es in Polen keinen ernstzunehmenden Politiker, der prorussische Positionen vertritt. In der wichtigsten auenpolitischen Frage, der Untersttzung fr die Ukraine, zogen Duda und Tusk denn auch an einem Strang. Dies knnte sich mit Nawrocki ndern, der zum Beispiel gegen einen mglichen Nato-Beitritt der Ukraine ist.
Whrend sich mit Tusk als Regierungschef das Verhltnis zwischen Warschau und Berlin entspannte, vertritt Nawrocki eher die Deutschland-feindliche Linie der PiS und suchte im Wahlkampf die Nhe zu US-Prsident Donald Trump. Er erneuerte die Forderung nach Reparationen fr die Schden, die Nazi-Deutschland im Zweiten Weltkrieg in Polen angerichtet hat.
Nawrocki im Wahlkampf mit queerfeindlicher Stimmungsmache
Von der EU will sich Nawrocki, das hat er betont, fr Polen nichts vorschreiben lassen. Das drfte sich wohl auch auf LGBTI-Rechte beziehen, die der neue Prsident ablehnt. So bekrftigte er krzlich, dass es mit ihm das Adoptionsrecht fr gleichgeschlechtliche Paare nicht geben werde. Zudem denunzierte er im Wahlkampf LGBTI-Aufklrung an Schulen als «Sexualisierung» von Kindern. In der Prsidentschaftsdebatte sagte er deutlich: «Die LGBT-Community kann nicht erwarten, dass ich mich um ihre Angelegenheiten kmmere.»
Am Wahlabend sah eine erste Prognose zunchst Trzaskowski vorn, und der 53-jhrige Sozialwissenschaftler gab sich auch schon als Wahlsieger. Er gilt allerdings selbst in seinem politischen Lager als sehr weit links und war fr viele Whler*innen in katholisch geprgten lndlichen Regionen des Landes ein rotes Tuch.
Die ber Nacht eingehenden Einzelergebnisse belegten die tiefe politische Spaltung Polens, das in den vergangenen Jahren groe wirtschaftliche Erfolge erzielt hat. Trzaskowski siegte demnach in den groen Stdten wie Warschau, Krakau und Lodz, die vom Aufschwung besonders profitiert haben. In kleineren Stdten und den lndlichen Regionen Polens lag Nawrocki vorn.
Ein Grund fr die Niederlage Trzaskowskis knnte sein, dass das liberale und linke Lager sein Whlerpotenzial nicht ausgeschpft hat. Die Wahlbeteiligung lag mit offiziell 71,63 Prozent zwar gut drei Prozentpunkte hher als bei der vorherigenPrsidentenwahlvor fnf Jahren. Doch beim Sieg ber die PiS bei der Parlamentswahl 2023 hatte eine Rekordzahl von 74,4 Prozent der Whlerinnen und Whler ihre Stimme abgegeben.
Amateurboxer und Historiker an der Staatsspitze
«Wir werden siegen und Polen retten. Wir werden nicht zulassen, dass Donald Tusks Macht sich festigt», sagte Nawrocki nach Bekanntgabe erster Prognosen. Er war bislang Direktor des Instituts fr Nationales Gedenken (IPN), eine Art polnisches Pendant zur mittlerweile aufgelsten Stasi-Unterlagen-Behrde in Deutschland.
Fr Aufsehen und Sympathien bei manchen Whler*innen sorgte immer wieder seine Vergangenheit als Amateurboxer in jungen Jahren und als Trsteher whrend des Studiums in einem Luxushotel mit mglichen Kontakten ins Rotlichtmilieu. Doch schon im ersten Wahlgang vor zwei Wochen hatten Nawrocki und noch weiter rechts stehende Kandidaten zusammen eine deutliche Mehrheit erhalten.
In Polen amtiert der Prsident fnf Jahre. Das Staatsoberhaupt hat mehr Befugnisse als der Bundesprsident in Deutschland und reprsentiert das Land nicht nur nach auen. Der Prsident hat auch Einfluss auf die Auenpolitik, er ernennt den Regierungschef sowie das Kabinett und ist im Kriegsfall Oberkommandierender der polnischen Streitkrfte. Vor allem aber kann er der Regierung mit seinem Vetorecht das Leben schwer machen. (dpa/cw)