
Josephine Baker: Mit Plschbananen die Welt verndern
Oktober 1925. Eine Frau betritt die Bhne des Pariser Thtre des Champs-lyses. Sie trgt fast nichts. Ihr Krper bewegt sich wie Jazz: ungezhmt, elektrisierend, voller Wucht. Das Publikum tobt. Die Kritiker sind begeistert. Am nchsten Tag ist ihr Name in aller Munde: Josephine Baker.
Fnfzig Jahre nach ihrem Tod am 12. April 1975, im Alter von 68 Jahren, ist sie weit mehr als nur eine Tanzlegende. Sie gilt als Freiheitskmpferin, Widerstandskmpferin, Ikone der queeren Bewegung und Botschafterin der Diversitt und seit 2021 sogar als Nationalheldin.
Als erste afroamerikanische Frau wurde sie am 30. November in das Pariser Panthon aufgenommen, Frankreichs Ruhmestempel Seite an Seite mit Gren wie Victor Hugo, Voltaire oder Marie Curie.
Wer war die Frau, die fr Freiheit tanzte?
Geboren wurde sie als Freda Josephine McDonald am 3. Juni 1906 in St. Louis, Missouri. Ihre Kindheit: arm, hart, rassistisch. Mit acht Jahren arbeitete sie als Haushaltshilfe, sah die Huser ihres Viertels brennen, Menschen, die aussahen wie sie, gelyncht an Bumen. Diese Erlebnisse prgten sie. Und sie lieen sie eines schwren: dass sie nicht nur fr sich selbst, sondern fr die Freiheit aller kmpfen wrde.
Die Bhne war ihre erste Waffe der Humor, die zweite. Als sie Mitte der 1920er Jahre nach Paris auswanderte, fand sie zum ersten Mal in ihrem Leben so etwas wie Anerkennung. Sie wurde zum Star, zur «Knigin des wilden Tanzes». Ihr «Banana Dance» zwischen Provokation, Selbstermchtigung und Satire machte sie weltberhmt. Und zur Ikone einer Generation, die sich vom Mief des Kolonialismus befreien wollte.
Zwischen Erotik und Emanzipation
Ihr breiter Grtel, an dem Plschbananen hingen, wurde zu ihrem Markenzeichen und zu einem provokanten Symbol zwischen Erotik und Emanzipation. In einer Zeit, in der Frankreich sich zwischen kolonialem Erbe und kultureller Offenheit bewegte, traf Baker den Nerv des Zeitgeists.
Die bisexuelle Knstlerin spielte mit exotischen Klischees, machte sich ber rassistische Stereotype lustig. Ihre Auftritte waren nicht nur Spektakel, sondern Statements: eine Feier der Selbstermchtigung und des kulturellen Wandels.
Sie riskierte ihr Leben fr ein freies Europa
Doch Josephine Baker wollte mehr sein als Entertainerin. Als sie 1937 den jdischen Industriellen Jean Lion heiratete, nahm sie die franzsische Staatsbrgerschaft an. Und als der Zweite Weltkrieg begann, trat sie dem franzsischen Widerstand bei. Nicht nur symbolisch.
Sie nutzte ihre Prominenz und ihre Reisefreiheit als gefeierte Tnzerin, um im Widerstand gegen das Nazi-Regime geheime Botschaften zu transportieren. Und ihre Konzerte an der Front dienten nicht dem Ruhm, sondern der Moral und dienten als Einnahmen an die Rsistance.
Marsch auf Washington
Nach dem Krieg wandte sich Josephine Baker verstrkt dem Kampf gegen Rassismus und Diskriminierung zu. Beim historischen Marsch auf Washington fr Arbeit und Freiheit 1963 einem Schlsselmoment der US-Brgerrechtsbewegung trat sie in der Uniform der Freien Franzsischen Streitkrfte ans Mikrofon.
Als einzige Frau ergriff sie vor Martin Luther Kings berhmter «I Have a Dream»-Rede das Wort. Ihre Rede war ein leidenschaftlicher Aufschrei gegen die Ungerechtigkeit: Sie habe die Palste von Knigen und Prsidenten betreten, «doch in Amerika durfte ich nicht einmal in einem Hotel einen Kaffee trinken».
Liebe ohne Grenzen
Auch ihr Privatleben war ein Statement. Sie liebte Mnner, sie liebte Frauen offen und selbstbewusst. Und sie adoptierte zwlf Kinder unterschiedlicher Herkunft und Religion. Ihre Regenbogenfamilie war keine Image-Pflege, sondern gelebte Vision.
«Ich wollte beweisen, dass Menschen verschiedener Hautfarben, Kulturen und Religionen miteinander leben knnen wie Brder und Schwestern.» Heute wird Baker auch als frhe queere Ikone gefeiert.
Heldin in Frankreich, Liebesbriefe in Berlin
1926 brachte sie ihre wilden Rhythmen auch nach Berlin. In ihren Memoiren schrieb sie spter: «Berlin, das ist schon toll! Ein Triumphzug. Man trgt mich auf Hnden. In keiner anderen Stadt habe ich so viele Liebesbriefe, Blumen und Geschenke bekommen.»
Doch bei ihrem zweiten Besuch 1929 hatte sich das politische Klima verndert. Nationalistische Bltter hetzten gegen sie, nannten sie einen «Halbaffen». Nach drei Wochen reiste sie berstrzt wieder ab.
Baker starb wenige Tage nach ihrer letzten groen Show in Paris am 9. April 1975. 46 Jahre spter folgte die hchste Ehrung: die Aufnahme ins Panthon. In seiner Gedenkrede wrdigte Prsident Emmanuel Macron sie als eine «Kmpferin, eine Knstlerin, eine Frau, die nicht nur das schwarze Volk verteidigt hat sondern die Menschheit.»
Warum ihr Erbe heute mehr denn je zhlt
Sie war Tnzerin, Spionin, Aktivistin, Mutter, Liebende. Und in allem kompromisslos. In einer Zeit, in der alte Feindbilder wiederkehren und in vielen Lndern Nationalismus und Ausgrenzung wieder salonfhig werden, bleibt ihr Leben ein Wegweiser: fr Courage, Vielfalt und die unerschtterliche berzeugung, dass man die Welt verndern kann auch mit Plschbananen.
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