
Sensationell gute Lagerfeld-Doku
Wenn jemand das Handwerk oder besser die Kunst des Dokumentarfilms und Prominenten-Portrts versteht, dann ist es wohl Gero von Boehm. In einem kleinen, aber feinen Film geht der 71-Jhrige jetzt dem Mann, Mythos und Modeschpfer Karl Lagerfeld (1933-2019) auf den Grund.
«Karl Der Mann hinter der Maske» (60 Minuten) ist am Samstag (24.5.) zur besten Sendezeit (20.15 Uhr) bei 3sat zu sehen und auch in der Mediathek.
Allerhand prominente Stimmen hat der Filmemacher fr die Doku gewinnen knnen, darunter die US-«Vogue»-Chefredakteurin Anna Wintour, Model und Muse Nadja Auermann, der Schauspieler und «Becoming Karl Lagerfeld»-Darsteller Daniel Brhl, der Designerkollege Wolfgang Joop und der FAZ-Journalist und Biograf Alfons Kaiser («Karl Lagerfeld Ein Deutscher in Paris»).
«Karl war wie mein magischer Feenstaub und mein Mentor», sagt etwa Claudia Schiffer, die ber Jahre als sein Lieblingsmannequin galt. «Er verwandelte mich von dem schchternen deutschen Mdchen in das Supermodel.»
Lebensende
Sbastian Jondeau, engster Vertrauter in den letzten Lebensjahren, gewhrt Einblick in die Stunden vor Lagerfelds Tod im Februar 2019. Er erzhlt auch, dass mit der Asche auf Wunsch des Designers etwas ganz Bestimmtes passieren sollte und warum es weder Grabstein noch Gedenkort gibt.
Viele kleine Geschichten etwa ber die frhen Pariser Jahre ergeben ein spannendes Bild von dem Mann, der es nahezu perfekt verstand, sich in Szene zu setzen, dabei viel redete, aber kaum etwas sagte (jedenfalls nichts Privates). Er gehre zu keiner Generation, zu keinem Milieu, passe berallhin, behauptete Lagerfeld von sich selbst.
Glamour
Es gibt Anekdoten des Jugendfreundes Peter Bermbach, wie Karl Lagerfeld als junger Deutscher in Paris in den 1950er Jahren in enger Badehose im Schwimmbad stolziert sein soll oder sein Mercedes-Cabrio gern im Quartier Saint-Germain-des-Prs vor dem «Caf de Flore» oder dem «Deux Magots» parkte, um gesehen zu werden.
Bei einem Modewettbewerb Mitte der 1950er Jahre gewann er zwar den ersten Preis fr einen Mantelentwurf, die wohl wichtigere Auszeichnung fr das beste Kleid ging jedoch an den erst 18-jhrigen Yves Saint Laurent, der in den folgenden Jahrzehnten stets eine Art Rivale blieb.
Viel spter dann war Lagerfeld der erste groe Name aus der Welt der Haute-Couture, der mit einer Fast-Fashion-Marke wie H&M zusammenarbeitete.
Herkunft
Gemutmat und psychologisiert wird in der Doku auch, jedoch wohlbegrndet. So schmte sich Lagerfeld wohl fr sein mit der Nazi-Machtergreifung assoziiertes Geburtsjahr 1933, das er gern mal verschwieg oder nderte.
Er soll als junger Mann auch Lgengeschichten erfunden haben, von einem schwedischen Baron abzustammen.
Dass seine Unternehmereltern beide einst in der NSDAP Mitglied waren, passte nicht gut zum Lebenslauf eines Mannes von Welt, der international durchstarten und vor allem in seiner Wahlheimat Frankreich akzeptiert werden wollte.
Liebe
Seine einzige groe Liebe, der Dandy Jacques de Bascher, starb 1989 mit nur 38 Jahren an den Folgen von Aids. Caroline Lebar, Karls Kommunikationschefin, verrt, dass sich Lagerfeld damals mit den verhassten Themen Krankheit und Verfall auseinandersetzen musste, dass er die letzten Tage mit Bascher verbrachte und danach gleich wieder hochdiszipliniert weiterarbeitete, etwa bei Anproben.
Originalzitate zu diesem dunklen Kapitel hat die Doku auch parat: Natrlich habe er sich damals um seinen Freund gekmmert, er sei ja nicht eiskalt, sagt Lagerfeld. «Je besser Sie mit sich selbst leben, desto besser knnen Sie sich um andere kmmern.» Wohl auch aus Trauer und Kummer sei Lagerfeld damals in den Folgejahren in die Breite gegangen, sagen Vertraute.
Ikone
Um die Jahrtausendwende erfand sich Lagerfeld noch mal neu. Er vernderte sein Aussehen, nahm in 13 Monaten Radikaldit 42 Kilogramm ab, auch um in die schmal geschnittenen Klamotten des Designers Hedi Slimane zu passen.
Lagerfeld machte sich immer mehr zur eigenen Marke und wurde endgltig zu dem Weltstar, an den sich auch viele junge Leute heute noch erinnern knnen.
Schlielich ereilte ihn der Prostatakrebs. Schon 2015 wre Lagerfeld beinahe gestorben, doch der gebrtige Hamburger ignorierte die Krankheit, solang es eben ging. Arbeit, Arbeit, Arbeit das war sein Leben.
Den Tod wollte er nicht akzeptieren. «Ich mcht› auch nicht gesehen werden, wenn ich tot bin, find› ich furchtbar Tuch drber und weg. In den Mlleimer. Aus. Vorbei.»
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