Warum whlen viele Schwule extrem rechte Parteien wie die FP?
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Warum whlen viele Schwule extrem rechte Parteien wie die FP?

Das Ergebnis einer Umfrage des schwulen Dating-Portals «Romeo» lsst aufhorchen. So fhrte «Romeo» bei den meist mnnlichen Nutzern in sterreich im Zuge der bevorstehenden Parlamentswahlen am 29. September eine Wahlumfrage durch. Herausgekommen ist, dass die rechtsextreme Freiheitliche Partei (FP) mit 29 Prozent auf Platz eins lag (queer.de berichtete).

Mitgemacht haben 4.216 Menschen aus sterreich. Dabei handelt es sich meist um schwule, bisexuelle und andere queere Mnner. Die Umfrage ist nicht reprsentativ, betont Romeo. «Dank unserer groen Reichweite und Teilnehmerzahl knnen wir aber zumindest Daten ber die Interessen und Vorlieben der LGBTQ-Gemeinschaft sammeln», heit es. Die Dating-Plattform mchte den Rechtsruck bei ihren Nutzern nicht interpretieren.

Deutsche «Romeo»-User whlen mehrheitlich die AfD

Das Interesse an der FP ist kein Einzelfall. Bei einer Romeo-Umfrage im Frhjahr 2024 vor der Europawahl lag in Deutschland die rechtsextreme AfD vorne (queer.de berichtete). Leider wurde bei diesen Umfragen nicht nach den Wahlmotiven gefragt.

Somit stellen sich viele Fragen: Warum bevorzugen viele schwule oder bisexuelle Mnner ausgerechnet queerfeindliche Parteien? Schlielich sorgte die FP erst vor Kurzem mit einem Wahlspot fr Aufregung, weil dort ein FP-Politiker eine Regenbogenfahne in den Mll warf (queer.de berichtete). Wie wrde das Ergebnis einer Umfrage aussehen, wenn nicht nur schwule Mnner, sondern auch lesbische Frauen, trans und inter Personen mitgemacht htten? Hngt die Bevorzugung der Rechtspopulisten vielleicht mit einer internalisierten Queerfeindlichkeit vieler schwuler Mnner zusammen? Oder gibt es andere Grnde?

Die Migrationsdebatte

Abgesehen von der Pause whrend der jngsten Hochwasser-Katastrophe wurde im sterreichischen Wahlkampf besonders intensiv ber das Thema Migration diskutiert. Die FP verfolgt das Ziel, das Land zu einer Festung auszubauen. Denn sterreich werde bedroht durch eine «neue Vlkerwanderung» und den Islamismus.

Mittlerweile verfolgen auch andere Parteien einen hrteren Kurs beim Thema Migration. Auch liberale schwule Mnner warnen vor einer zunehmenden Homofeindlichkeit auf Wiens Straen. So erklrte beispielsweise der offen schwule Politiker Yannick Shetty von den liberalen Neos in Zeitungsinterviews, dass er in Wien-Favoriten nicht mit der Regenbogenfahne herumlaufen wrde.

Favoriten ist ein groer Bezirk im Sden von Wien mit einem besonders hohen Anteil von Menschen, die nicht in sterreich geboren wurden. Shetty ist 29 Jahre alt und bei den liberalen Neos fr das Thema Integration mitverantwortlich. Er wurde als Sohn eines Inders und einer sterreicherin mit koreanischen Wurzeln in Wien geboren. Die Tageszeitung «Die Presse» nannte den schwulen Politiker als «pinken Mahner und Warner in der Integrations- und Migrationsdebatte». Im Wochenmagazin «Profil» sagte Shetty, dass er als Integrationsminister dafr sorgen wrde, «dass es nirgendwo in sterreich ein Problem ist, als Homosexueller mit seiner Partnerin oder seinem Partner auf der Strae zu spazieren». Er, so Shetty, habe selbst Belstigungen erlebt oder davon erfahren. «In sieben bis acht von zehn Fllen handelte es sich um Tter mit Migrationshintergrund», erklrte der Politiker Er mchte als Schwuler angstfrei durch «Migrantenviertel» also durch Stadtteile mit einem hohen Anteil von Menschen mit Migrationshintergrund spazieren knnen.

Hassverbrechen gegen LGBTI haben berwiegend rechtsextremen Hintergrund

Doch lassen solche subjektiven Eindrcke auf einen allgemeinen Trend schlieen? Hier kann ein Faktencheck weiterhelfen. Tatschlich sind in sterreich nicht Menschen mit Migrationshintergrund, sondern queerfeindliche mnnliche sterreicher fr einen Groteil der homofeindlichen Angriffe verantwortlich. Im Juli hat das sterreichische Innenministerium einen Bericht ber Hassverbrechen verffentlicht. Demnach ist im Vorjahr die Anzahl der Hassverbrechen gegen queere Personen stark gestiegen. Konkret wurden 2023 bei der sterreichischen Polizei 446 Hassverbrechen in der Kategorie «sexuelle Orientierung» angezeigt. Das entspricht im Vergleich zu 2022 einem Plus von 20 Prozent. Bei 87 Prozent der genannten Anzeigen ging es um homofeindliche Hassverbrechen. Zum Glck konnten viele tatverdchtigen Personen ausfindig gemacht werden. Die Polizei hat in diesem Zusammenhang 348 Tatverdchtige gefasst. Eine Auswertung ergab, dass die Tatverdchtigen bei homofeindlichen Hassverbrechen zu 90 Prozent Mnner und zu 72 Prozent sterreicher waren. Es ist davon auszugehen, dass es sich bei diesen sterreichern in erster Linie um Mnner mit einem rechtsextremen Hintergrund handelte.

Auch in Deutschland sind es immer wieder rechtsextreme Gruppen, die Teilnehmer*innen eines CSD wie in Bautzen zu stren versuchen. Die Dunkelziffer bei Hassverbrechen ist hoch. Viele queere Menschen zeigen Angriffe aus Scham nicht an. Doch es ist wichtig, dass jedes einzelne Verbrechen zur Anzeige gebracht wird, damit die Problemfelder und Hintergrnde auch benannt und analysiert werden.

Andere Ttergruppen drfen nicht verschwiegen werden

Um nicht missverstanden zu werden: Es soll nicht verschwiegen werden, dass es in sterreich nicht nur rechtsextreme, sondern auch queerfeindliche Angriffe von Mnnern mit Migrationshintergrund und von Islamisten gibt. Es ist notwendig, dass solche Verbrechen aufgearbeitet und verhindert werden. Die Polizei berichtete im Vorjahr von einem Anschlagplan von Islamisten auf die Wiener Regenbogenparade. Daher waren die Sicherheitsvorkehrungen bei der diesjhrigen Wiener Parade und beim Pride Village besonders hoch. Im August mussten in Wien die Taylor-Swift-Konzerte wegen Anschlagplne von Islamisten abgesagt werden. Es ist verstndlich, dass viele Menschen deswegen besorgt sind.

Mglicherweise gibt es noch andere Grnde, warum die FP in sterreich derzeit besonders beliebt ist. Denn die Regierung hat bei der Eindmmung der Inflation (in sterreich war die Inflation lange Zeit viel hher als im Euro-Durchschnitt) und bei der Bekmpfung der Corona-Krise viele Fehler gemacht.

Die FP fordert ein Ende des «Regenbogenkults»

Wenn aber nun queere Menschen aus Frust oder aus Protest die FP whlen, sollten sie auch an die Folgen denken. Sollte die FP in sterreich einmal das Sagen haben und das Land zu einer Festung umbauen, htte das gravierende Auswirkungen fr queere Menschen. Die FP macht aus ihrer queerfeindlichen Haltung kein Geheimnis wie unzhlige Vorflle der vergangenen Monate und Jahre zeigen. Die FP lehnt beispielsweise Regenbogenparaden vehement ab. Im Interview mit der Tageszeitung «Heute» anlsslich der diesjhrigen Parade in Wien erklrte FP-Chef Herbert Kickl, er halte nichts von dem «ffentlich zelebrierten Regenbogenkult als angeblicher Ausdruck besonderer Modernitt und Offenheit». Denn so Kickl: «Wer fr alles offen ist, der ist nicht ganz dicht». Fr einen anderen FP-Politiker ist eine Regenbogenparade ein «Zeichen der Dekadenz» (queer.de berichtete). Vorbild fr die FP ist Ungarn, wo queere Menschen massiv diskriminiert werden.

Die homoerotische Dimension von Jrg Haider

Nicht ausgeblendet werden kann in diesem Zusammenhang ein Rckblick in die FP-Geschichte und auf den langjhrigen FP-Parteichef Jrg Haider. Dieser starb im Oktober 2008 und war lange Zeit einer der erfolgreichsten Rechtspopulisten Europas. Viele Medien taten sich schwer, Haiders Sexualitt zu thematisieren. «Haider schwul? Wer will das wissen?», fragte einst die brgerliche Wiener Tageszeitung «Presse». Das Wochenmagazin «profil» erklrte: «Wie umgehen mit einem Ausnahmepolitiker, der die letzten Stunden seines Lebens damit zubringt, sich in einer Schwulenkneipe fast bis zur Besinnungslosigkeit zu besaufen?»

Der Journalist Robert Misik meinte in der deutschen «taz» zum Thema «Haider und die Mnner»: «Haider war, wie immer man politisch zu ihm stehen mag, eine interessante Figur, und diese lsst sich einfach nicht charakterisieren und portrtieren ohne diese homoerotische Dimension und mglicherweise auch nicht ohne den inneren Leidensdruck einer nie offen ausgelebten Sexualitt.»

Ein frherer Wiener FP-Landtagsabgeordneter sagte bei einer Veranstaltung ber die FP und Haider: «Wir sind die einzige Partei, die 17 Jahre von einem Schwulen geleitet wurde. Das hat jeder gewusst.» Fr die Homosexuelle Initiative Wien (Hosi Wien) steht fest: «Jrg Haider war einfach zu feig, offen schwul zu leben!»