Das Gewalthilfegesetz ist ein fauler Kompromiss
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Das Gewalthilfegesetz ist ein fauler Kompromiss

Es herrschte parteibergreifende Einmtigkeit, dass wir dringend ein Gewalthilfegesetz brauchen. Ein berflliges Gesetz, dass Frauen einen Anspruch auf Schutz bei huslicher Gewalt garantiert. Das verlangt zum einen die Einrichtung von Beratungsstellen und zum anderen eine verlssliche Finanzierung der Frauenhuser, die es bisher nicht gab. Weil alle von der Wichtigkeit eines solchen Gesetzes berzeugt waren, wurden nun kurz vor Schluss der Legislaturperiode endlich die Weichen gestellt.

Der Bundestag entschied am Freitag mit einer Mehrheit von 390 Ja-Stimmen fr die Annahme des Gesetzes. Sein genauer Titel: «Gesetz fr ein verlssliches Hilfesystem bei geschlechtsspezifischer und huslicher Gewalt» (PDF).

Die «Geschlechtsidentitt» ist im Text verlorengegangen

So weit so gut oder doch nicht gut? Ein gravierender Mangel fllt sofort ins Auge, den es in der Fassung vom 3. Dezember 2024 (PDF) noch nicht gab. Da stand nmlich unter 2 als Definition geschlechtsspezifischer Gewalt: jede krperliche, psychische oder wirtschaftliche Gewaltanwendung, «die sich gegen eine Person aufgrund ihres Geschlechts oder ihrer Geschlechtsidentitt richtet». Doch auf den letzten Metern ist pltzlich die Geschlechtsidentitt im Text verlorengegangen. Wo ist sie geblieben?

Und nicht nur das. In der ursprnglichen Fassung gab es beispielsweise diese Erluterung: «Die Bedarfe von betroffenen Mnnern sowie trans- und intergeschlechtlichen und nichtbinren Menschen sind im Hilfesystem oftmals nicht angemessen bercksichtigt.» Genau das sollte sich ndern, so die Ansicht von SPD und Bndnis 90/Die Grnen, weil alle gewaltbedrohten Menschen bedarfsgerechten Schutz und Untersttzung verlangen knnen. Gleichbehandlung nennt man das. Doch die genannten Personengruppen haben sich in Luft aufgelst. Was also ist geschehen?

Ein fauler Kompromiss

Nun liee sich natrlich mit Recht sagen, ein solches Gesetz gehe gar nicht an die Wurzel des bels, sondern betreibe lediglich Symptombehandlung. Richtig. Denn die patriarchalen Strukturen bleiben trotz aller Bemhungen um Gleichstellung und Antidiskriminierung in einer Gesellschaft bestehen, die auf Sexismus und Misogynie basiert und die sie jedenfalls nicht einfach per Gesetz loswird. Wie aber she eine wirkungsvolle Prvention aus? Und noch besser: Wie schaffen wir einen Systemwechsel? Die Fragen wurden erst gar nicht gestellt.

Das darf uns freilich nicht hindern, Hilfe und Untersttzung berall dort zu ermglichen, wo sie gebraucht werden. Und trotzdem wurde jetzt ein fauler Kompromiss verabschiedet, der uns wieder einmal daran erinnert: Sobald die Union in unseren Angelegenheiten (und Geschlechtsidentitt ist eine solche) mitentscheidet, luft die Sache fr uns schief und mit uns meine ich trans, inter und nichtbinre Menschen. brig bleibt fr uns nur der Schaden. Das war 1980 beim Transsexuellengesetz so, das mit dem Heraufsetzen des Mindestalters auf einen oberfaulen Kompromiss hinauslief, und es ist bis heute so geblieben. So gesehen ist lernresistent zum Synonym fr konservativ geworden.

Ressentiments werden zu politischen Leitlinien

Es ist fatal, wie Ressentiments, krasse Vorurteile und Unterstellungen zu politischen Leitlinien werden. Es ist fatal, weil trans, inter und nichtbinre Menschen tagtglich geschlechtsspezifische Gewalt erfahren und sie damit aber weiterhin alleine gelassen werden. Die Union hlt deren Schutz offenkundig fr entbehrlich, als ob es in diesem Staat Menschen 2. Klasse gibt, die kein Recht auf Rechte haben.

Zum Glck haben Frauenhuser in der Vergangenheit und bis heute immer schon autonom entschieden, weshalb trans Frauen dort Aufnahme gefunden haben, wenn die Einzelfallprfung das fr gerechtfertigt hielt. Die Frauenhauskoordinierung betrachtet das als Selbstverstndlichkeit.

So gesehen, wird sich an der Aufnahmepraxis wohl auch in Zukunft nichts ndern, so dass trans Frauen Hilfe und Schutz zuteilwird, und zwar auch mit diesem faulen Gewalthilfegesetz, das jetzt so deutlich die Handschrift der Union trgt. Nicht der Politik ist in unserem Fall also zu danken, sondern denjenigen, die die Not aus dem Alltag kennen und deshalb einen klareren Blick fr Lebensrealitten in unserem Land besitzen frei von Vorurteilen und ideologischen Verrenkungen.

Der Rechtsweg ist nicht ausgeschlossen

Wer sich die Ausschuss-Anhrung vom letzten Montag zum Gewalthilfegesetz angehrt hat wei, aus welcher Ecke die Union ihre Argumente bezieht: Monne Khn vom Frauen- und Kinderhaus e.V. in Uelzen, die als Expertin geladen wurde, benutzt die gleiche Sprache wie die AfD trans Frauen seien Mnner und damit eine Bedrohung fr cis Frauen. So macht man aus Opfern Tter*innen. Sie wird dafr von der «Emma»-Redaktion als Heldin gefeiert. Sie selbst verwahrt sich dagegen, transfeindlich genannt zu werden. Der Haken dabei, mehr Transfeindlichkeit geht kaum.

Von Leuten wie Monne Khn wird auerdem gerne behauptet, Geschlechtsidentitt stnde nicht in der Instanbul-Konvention, auf die sich die Gewaltschutzmanahmen berufen, dort gehe es angeblich nur um sogenannte biologische Frauen. Im 2 (Geltungsbereich) und 3 (Begriffsbestimmung) ist in der Tat nicht von Geschlechtsidentitt die Rede, aber in 3 heit es immerhin, der Begriff «Geschlecht» bezeichne «die gesellschaftlich geprgten Rollen». Wenn das nicht Gender ist, wei ich nicht, was Gender sein soll.

Wenn wir allerdings weiterlesen, finden wir unter 4 (Grundrechte, Gleichstellung und Nichtdiskriminierung) im Absatz 3 explizit den Begriff Geschlechtsidentitt. Manchmal hilft weiterlesen, um zur Wahrheit zu kommen. Aber weder die Union noch Frau Khn noch die «Emma» sind im Fall von trans, inter und nichtbinren Menschen an der Wahrheit interessiert. Das ist traurig, aber mit Blick auf das Gewalthilfegesetz ist der Rechtsweg bekanntlich nur bei Lotterien ausgeschlossen, nicht aber bei Gesetzen, denen die Verfassungswidrigkeit durch Diskriminierung und Ungleichbehandlung eingeschrieben ist. Denn trans, inter und nichtbinre Menschen drfen nicht auen vor bleiben.