
Fortschritt gibt es nicht im Rckwrtsgang
«Wre ich nicht optimistisch, htte ich den Job nicht angetreten», sagt die neue Queerbeauftragte Sophie Koch. Korrekt heit ihr Amt brigens Beauftragte fr Akzeptanz sexueller und geschlechtlicher Vielfalt. Sie wird den Optimismus brauchen. Und dazu noch mehr politische Standfestigkeit. Aber auch da scheint sie, die bisher in der schsischen Landespolitik Zuhause war und es neben ihrem neuen Amt auch bleiben wird, gut aufgestellt zu sein. Jedenfalls hat sie ausreichend bung beispielsweise im Umgang mit der ziemlich starken Rechtsauen-Fraktion im Schsischen Landtag. Und auf die besseren Argumente zu vertrauen, gehrt zu ihrem Profil.
Dass Koch, die SPD-Frau, in einem unionsgefhrten Ministerium unter der Familienministerin Karin Prien ihre Arbeit antreten wird, stimmt einerseits hoffnungsvoll. Denn damit sollte das queerpolitisch Erreichte hoffentlich Bestand haben. Auf der anderen Seite hat Koch mit der bernahme des Amts von vornherein klargestellt, dass sie sich fr die unter der Ampelregierung nicht mehr realisierten Projekte einsetzen wird allen voran die Grundgesetz-nderung Artikel 3.
Die Union ist treibende Kraft im Canceln von trans Weiblichkeit
Ob es allerdings mit Blick auf die anwachsende Transfeindlichkeit wirklich schon mit dem Grundrechtsschutz der sexuellen Identitt getan ist, bezweifle ich stark. Denn was wir konkret erleben, dass nmlich die geschlechtliche Identitt, also das was trans, inter und nichtbinre Menschen definiert, stndig in Frage gestellt wird. Wie so oft, sind es gerade die trans Frauen, denen ihre weibliche Geschlechtszugehrigkeit abgesprochen wird.
Wir haben es zuletzt erlebt, als der Begriff Geschlechtsidentitt auf Druck der Union aus dem Gewalthilfegesetz gestrichen wurde. Was heit das? Dass trans Frauen nicht als Frauen gezhlt werden, also weder schutzbedrftig noch schutzwrdig sind. Das ist nur ein Beispiel von vielen, das zeigt, wo immer es um Substantielles geht, gehen trans Frauen leer aus. Die Union ist da leicht als treibende Kraft im Canceln von trans Weiblichkeit auszumachen.
Dasselbe Spiel wird sich wahrscheinlich bei der beschlossenen Teil-Evaluierung des Selbstbestimmungsgesetzes (SBGG) wiederholen, denn die Union hat es neben ihrem Lieblingsthema Kinder und Jugendliche explizit auf den Schutz der Frauen abgesehen und wenn die Union von Frauen spricht, dann meint sie jedenfalls nicht trans Frauen. Da nun aber Sophie Koch von der Bundesregierung beauftragt ist, sich nicht nur fr die sexuelle Vielfalt einzusetzen, wre zu wnschen, dass sie die geschlechtliche Vielfalt von trans, inter und nichtbinr mindestens genauso schtzt. Mal schauen, ob Sophie Koch auch politischen Spagat kann.
Die LSU hat das Amt von der Streichliste gerettet
Eine offene Frage bleibt vorerst, wie die Tatsache, dass Koch nicht den Status einer Parlamentarischen Staatssekretrin besitzt wie ihr Vorgnger Sven Lehmann, sich am Ende auf ihre Arbeit auswirken wird. Fr diese Funktion msste sie erst Mitglied des Bundestages sein. Andererseits knnen wir natrlich heilfroh sein, dass der Posten nicht auf die Streichliste der Beauftragten kam. Einen Moment lang sah es ja so aus. Liebe Kulturkmpfer*innen zu frh gefreut. Das queerpolitische Spielfeld ist mit Koch jedenfalls vielversprechend besetzt.
An dem Erhalt des Amts hat der Verband Lesben und Schwule in der Union (LSU) wohl mageblich mitgewirkt. Also, Dank wem Dank gebhrt. Die LSU spekulierte allerdings darauf, dass der Posten durch die CDU besetzt wird, «damit auch wir mal zeigen knnen, dass auch wir sexuelle Vielfaltspolitik knnen», wie LSU-Bundesgeschftsfhrer Ren Powilleit in einem Gesprch mit dem «Tagesspiegel» zu Protokoll gab.
Karin Prien: «Wir machen Schluss mit dem woken Kram»
Aber das sollte die LSU nicht hindern, ihre Positionen der Vielfaltspolitik in Richtung der eigenen Partei durchzusetzen. Bestimmt keine leichte Aufgabe, aber eine, die dringend notwendig wre. Und Sophie Koch wird es gebrauchen knnen, auch wenn ihre «Chefin» Karin Prien gerade erst in einem Interview fr die Wochenzeitung «Die Zeit» (Bezahlartikel) versicherte: «Ich werde keine Kulturkmpferin sein.» Im Februar schrieb sie noch auf X: «Wir machen Schluss mit dem woken Kram.»
Wir machen Schluss mit dem woken Kram @SH_CDU Ministerinnen, Landtagsprsidentin und Abgeordnete, geballte Kompetenz, nach der Bundestagswahl und in Vorbereitung der Landtagssitzung, pic.twitter.com/l0rA0vrBRT
Keine Kulturkmpferin sein zu wollen, hrt sich erst mal gut an, wre da nicht ein paar Stze weiter die Rede davon, «Minderheitenthemen» mehr mit Rcksicht auf die Mitte zu machen. Das klingt nach Entschleunigung, als ob Benachteiligungen von Minderheiten ruhig lnger dauern drfen. Nein, so sei das nicht gemeint, antwortete sie, Politik drfe auch vorangehen, nur drfe niemand berfordert werden die alte Reformstau-Politik: einen Schritt vor, zwei zurck.
Der «Neuen Zrcher Zeitung» (Bezahlartikel) versicherte die Ministerin dennoch, sie wolle mit der Queerbeauftragten einen Weg finden, «in der Sache strittige Punkte konstruktiv und nicht polarisierend» zu errtern. Man wolle nach vorne schauen, hoffentlich heit das auch nach vorne gehen. Die alte Regel: Fortschritt gibt es nicht im Rckwrtsgang.