
Wichtiger Sieg fr trans, inter und nichtbinre Menschen in Europa
Mit einem Urteil hat jetzt der Europische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg erneut die geschlechtliche Identitt gestrkt (queer.de berichtete). Das ist ein wichtiger Sieg fr trans, inter und nichtbinre Menschen in Europa. Schon im letzten Jahr entschied der EuGH in diesem Sinne, als der Gerichtshof die Feststellung traf: Personenstandsnderungen, also nderungen des Geschlechtseintrags, gelten in allen europischen Lndern, und zwar automatisch und ausnahmslos (queer.de berichtete). EU-Recht hat in den Mitgliedsstaaten Vorfahrt.
Das Gericht anerkannte, dass Geschlecht ein grundlegendes Element der persnlichen Identitt bedeutet und deshalb umfassenden Schutz beanspruchen darf. Beim aktuellen Urteil ging es darum, dass es in der Anrede neben «Frau» und «Mann» auch eine geschlechtsneutrale geben msse. Denn fr nichtbinre Menschen und davon gibt es in der Community nicht wenige reichen die beiden binren Kstchen zum Ankreuzen nun mal nicht. Nein, fr den Erwerb eines Fahrscheins, ist die Frage des Geschlechts vllig unerheblich.
Mit Datenschutz fr Geschlechtervielfalt
Geklagt wurde in Frankreich gegen den Zwang, sich beim Online-Kauf eines Bahntickets auf weiblich oder mnnlich festlegen zu mssen. Ein klarer Eingriff in das Persnlichkeitsrecht nichtbinrer Menschen. Das Gericht berief sich dabei auf die geltenden Datenschutzbestimmungen, die genau definieren, wann eine Personalisierung der Kund*innen-Daten unerlsslich sei. Um die Bahn als Transportmittel zu benutzen, ist das jedenfalls nicht der Fall.
In der Pressemitteilung des Luxemburger Gerichtshofs findet sich dazu eine einfache Lsung: «Das Eisenbahnunternehmen knnte sich nmlich fr eine Kommunikation entscheiden, die auf allgemeinen und inklusiven Hflichkeitsformeln beruht, die in keinem Zusammenhang mit der angenommen Geschlechtsidentitt der Kunden stehen, was eine praktikable und weniger einschneidende Lsung wre.»
Eine Feststellung, die bei uns im Fall der Deutschen Bahn bereits im letzten Sommer gerichtlich getroffen wurde (queer.de berichtete). Schlielich gibt es bei uns seit 2018 im Fall der Geschlechtsidentitt den Eintrag divers oder keinen, was heute durch das Selbstbestimmungsgesetz fr alle trans, inter und nichtbinre Menschen verfgbar ist. Hier wie dort geht es letztendlich auch um das, was wir gendergerechte Sprache nennen. Ganz abgesehen davon, dass sich das Personenstandsrecht, wie es sich aus der geschlechtlichen Selbstbestimmung ergibt, ohne Frage auch im sozialen Alltag abbilden muss. Nur genau daran haperts. Ich komme darauf zurck.
Das Recht auf Nichtdiskriminierung
Der Gerichtshof hat aber noch weitere Grnde geltend gemacht im Rahmen der Grundrechte und Grundfreiheiten, die wir als Kund*innen der Bahn beanspruchen drfen, nmlich die Vermeidung von Diskriminierung. Transgender Europe (TGEU) kommentierte in einer Pressemitteilung: «Dies ist das erste Mal, dass der EuGH den Grundsatz der Nichtdiskriminierung im EU-Recht anfhrt, um die Geschlechtsidentitt von trans und nichtbinren Menschen zu schtzen.» Also auch das ein Sieg.
Es wre alles so einfach, wenn sich endlich gendergerechte Sprache durchsetzen wrde. Denn damit entstnde mit der Zeit ein kulturell gefestigtes Bewusstsein der geschlechtlichen Vielfalt. Zur traurigen Realitt indes gehrt die hysterisch gefhrte Verbotsdebatte um gendergerechte Sprache.
Sie enthlt eine doppelte Realittsverweigerung: die Ignoranz hinsichtlich rechtlicher Ansprche und die Ignoranz hinsichtlich von Lebenswirklichkeiten. Wenn der Europische Gerichtshof in seiner Begrndung den Umweg ber das Datenschutzgesetz nimmt, kann uns das nur recht sein. Der Erfolg zhlt und der heit Anerkennung der geschlechtlichen Identitt. Nur dass eben eine viel zu groe Lcke zwischen diesem Erfolg und einer inklusiven Sprache weiterhin klafft. Die emotional aufgeladene Debatte ist rational jedenfalls nicht zu begreifen.
Das hohe Gut unserer Verfassung wird ignoriert
So bedeutsam und folgenreich all diese juristischen Entscheidungen zugunsten der geschlechtlichen Identitt auch sind, so zeigt sich im schnden Alltag immer wieder, wie gro der Abstand zwischen Rechtsprechung auf der einen und Rechtsbewusstsein in der Gesellschaft auf der anderen Seite ist. Immerhin ist es trstlich zu wissen, dass wir mit der elementaren Grundrechtsforderung nach geschlechtlicher Selbstbestimmung auf der richtigen, auf der Seite der Verfassung stehen.
Dass allerdings ein angeblich werteorientierter Konservativismus, wie ihn die Union fr sich in Anspruch nimmt, ausgerechnet das hohe Gut unserer Verfassung derart ignoriert, ja mit ihrer Verbotspolitik in Sachen Gendergerechtigkeit regelrecht boykottiert, ist wirklich bitter. Dass wir von rechts und rechtsauen nichts anderen erwarten drfen, wissen wir aus der Geschichte.
Wie paradox diese Situation ist, erleben wir zudem berall dort, wo es eben nicht um die rechtliche Anerkennung unserer Geschlechtsidentitt geht, denn die wird uns ja nicht mehr verweigert, sondern wo es um die soziale Praxis geht. Und da sieht es ganz anders aus. Wie ernst wird dann die geschlechtliche Identitt genommen? Der Deutsche Sauna Bund jedenfalls hlt sie wohl nur fr eine Art Privatvergngen und kennt nur «biologische Geschlechter» und primre Geschlechtsmerkmale, wie wir aus seiner «Weihnachts»-Erklrung vom 27. Dezember erfahren (queer.de berichtete). Die Terfs wird es derweil freuen. Den kulturellen Wandel hin zur Vielfalt kann man bremsen, doch am Ende nicht aufhalten.
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