Rechtsextreme wollen uns unsichtbar machen: Was knnen wir tun?
6 mins read

Rechtsextreme wollen uns unsichtbar machen: Was knnen wir tun?

Es sind Bilder, die uns allen Angst machen: Rechtsextreme, wie zuletzt in Leipzig oder Bautzen, trauen sich wieder in Gruppen auf die Strae, um uns Queers unter Druck zu setzen. Doch das neue Selbstbewusstsein kommt nicht von ungefhr. Es ist auch das Ergebnis eines rechten Diskurskampfes und einer queeren Bewegung, die immer mehr in eine Passivhaltung gedrngt wird.

Viele Queers berichten uns von einem zunehmenden Ohnmachtsgefhl. Alles, was wir machen, jeder CSD, den wir in den letzten Jahren organisiert haben, scheint nicht genug Wirkung entfaltet zu haben, denn rechtsextreme Parteien werden strker und queere Menschen werden zunehmend bedroht. Doch wir drfen nicht auer Acht lassen, wo wir stehen wrden, wenn wir in den letzten Jahren keine CSDs und somit keine Sichtbarkeit von queeren Menschen in der Stadt und auf dem Land ermglicht htten. Sven Lehmann, der Queerbeauftragte der Bundesregierung, sagt daher vllig zurecht: Die Demokratie wird auch auf den CSDs verteidigt. Demokratie braucht Vielfalt. Die CSDs in Pirna und in Leipzig haben uns vor Augen gefhrt, wie es laufen kann, wenn wir zusammenhalten. Als die Mobilisierung rechtsextremer Gruppierungen nach Leipzig bekannt wurde, haben viele Vereine und Aktivist*innen kurzfristig zur Teilnahme am CSD Leipzig aufgerufen. Rund 20.000 Teilnehmende haben am Leipziger CSD teilgenommen ein wichtiges Zeichen gegen Rechtsextremismus und ein wichtiges Zeichen fr den Zusammenhalt in unserer Community.

Die anstehenden Landtagswahlen im Osten zeigen aber auch, wie sich die Situation im kommenden Jahr zur Bundestagswahl zuspitzen knnte. Denn der ffentliche Diskurs rutscht immer weiter nach rechts. Wir sollten uns als queere Community frhzeitig darauf vorbereiten.

Wir brauchen eine gemeinsame Stimme

Wenn wir nchstes Jahr zur Bundestagswahl Whler*innen davon berzeugen wollen, queerfreundlich zu whlen, dann brauchen wir eine gemeinsame Stimme. Alle Verbnde, alle CSDs und Verbndeten sollten den Winter nutzen, eine gemeinsame Strategie zu erarbeiten, wie wir uns in der Pride-Saison 2025 in den Wahlkampf einbringen knnen. Unter den Teilnehmer*innen der CSDs gibt es viele Nichtwhler*innen, die wir ansprechen sollten. Sie wiederum knnen wichtige Multiplikator*innen fr die queere Community in ihren Familien, Freundeskreisen oder auf der Arbeit sein. Vereine und Verbnde haben bundesweit etablierte Strukturen, auf die sie zurckgreifen knnen. Das ist eine wichtige Voraussetzung fr die eigene Kampagnenfhigkeit. Eine gemeinsame verbandsbergreifende Kampagne zur Verteidigung der Demokratie knnte zustzliche Ressourcen entfalten. Die CSDs und Vereine sollten im Rahmen einer solchen Kampagne auerdem niedrigschwellige Angebote machen, wie sich Queers und Allies ehrenamtlich einbringen knnen, zum Beispiel als Wahlbotschafter*innen. Wir sind uns sicher: Uns allen ist die bedrohliche Situation, in der sich unsere Community aktuell befindet, bewusst. Umso mehr wollen jetzt alle mit anpacken und im nchsten Jahr mitmachen. Wir wrden damit nicht nur mehr politische Wirksamkeit entfalten und mehr Allies an uns binden, sondern gleichzeitig knnten viele von uns damit ihr Gefhl der Ohnmacht berwinden und wieder handlungsfhig werden. Eine «win-win»-Situation fr alle.

Lasst uns wieder mutiger werden

Immer wieder hren wir: Wir drfen nicht zu laut, zu unbequem oder zu bunt sein. Wir sagen dazu: Doch, wir mssen sogar laut, unbequem und bunt sein. Wenn wir uns einreden lassen, wir drften nicht selbstbewusst auftreten, dann haben die reaktionren Krfte erreicht, was sie wollen unsere Unsichtbarkeit, und damit am Ende auch unsere Handlungsunfhigkeit.

Aber erst durch ein mutiges Auftreten entsteht eine politische Bewegung. Als solche knnen wir wichtige Diskurse in Bewegung setzen und bei queeren Menschen und Allies Lust und Motivation dafr schaffen, sich ehrenamtlich fr unsere gemeinsame Sache zu engagieren. Niemand mchte in Initiativen aktiv sein, die ihr eigenes Selbstbewusstsein verloren haben. Wir drfen mutig sein und wir sollten auch kmpferisch sein. Wenn Queers merken, dass sich etwas in Bewegung setzt, werden sie auch selbst aktiv und bernehmen Verantwortung fr den gemeinsamen Erfolg. Das bietet das Potenzial fr das Entstehen einer eigenen und dynamischen Bewegung.

Gemeinsam knnen wir ngste berwinden. Wir bilden Banden, haken uns unter, reisen zusammen zu Demos und CSDs und passen aufeinander auf. Es kostet wenig berwindung, am Zielbahnhof eines CSDs in einer fremden Stadt eine andere Person mit Regenbogen-Accessoires anzusprechen, ob man gemeinsam zum Startpunkt des CSDs weiterfahren mchte.

Wir brauchen rote Linien

Die Community muss sich ber ihre roten Linien verstndigen. Wie gehen wir mit dem Bndnis Sahra Wagenknecht um? Wo ziehen wir eine Grenze, wenn Parteien ffentlich gegen uns oder Teile unserer Community Stimmung machen? Wenn Parteien ffentlich darber diskutieren, AfD-Antrgen zuzustimmen, dann kann das fr queere Menschen ganz schnell sehr gefhrlich werden. Beim lesbisch-schwulen Stadtfest in Berlin-Schneberg hatte das Bndnis Sahra Wagenknecht sogar einen Infostand. Zum jetzigen Zeitpunkt gibt es sicherlich Argumente dafr und dagegen. Doch sollte diese oder eine andere Partei anfangen, strukturiert mit einer rechtsextremen Partei zusammen zu arbeiten oder Teile unserer Community zu diffamieren, dann sollten wir uns vor der CSD-Saison 2025 auf einen bundesweit einheitlichen Umgang mit solchen Parteien auf queeren Veranstaltungen einigen.

Die queere Parteiorganisation der CDU, die LSU Deutschlands, braucht ebenfalls rote Linien fr sich. In den Debatten um die Olympiasportlerin Imame Khelif und im Berliner Abgeordnetenhaus zur Aufnahme queerer Menschen ins Grundgesetz gab es auch queerfeindliche uerungen aus der CDU. Die demokratischen Parteien sollten Positionen, die queere Menschen diskreditieren und jegliche Sachlichkeit verloren haben, nicht noch befrdern, sondern sie mssen diesen entschieden entgegentreten.

Wenn Politiker*innen aus der CDU sich aber damit der Diskursverschiebung anschlieen, dann trgt die LSU als Interessenverband queerer Menschen in der Partei die Verantwortung, an entscheidenden Stellen unmissverstndlich zu widersprechen und nicht zu schweigen. Sonst bleibt nur die jeweilige kritikwrdige Position der CDU im ffentlichen Raum bestehen. Die LSU sollte die Winterpause nutzen, fr sich eine Haltung zu entwickeln, wann sie zur Not ffentlich widersprechen und in den Konflikt mit fhrenden Parteipolitiker*innen gehen wrde und wann nicht. Und sie sollte der Parteispitze unmissverstndlich vor dem Wahlkampf signalisieren, dass Angriffe gegen unsere Community nicht mehr hingenommen werden.

Jetzt ist Disziplin gefragt

Ja, wir haben Konflikte und wir sind uns nicht in jedem politischen Thema einig. Doch in Anbetracht der Bedrohungslage mssen wir jetzt verbands- und parteibergreifend zusammenhalten. Lasst uns zeitnah gemeinsam einen demokratischen Grundkonsens entwickeln, mit dem sich mglichst viele Queers identifizieren knnen. Verbnde wie der LSVD oder der CSD Deutschland sind jetzt gefragt, eine solche Plattform zu schaffen. Die Gefahr steht lngst vor der Haustr. Es wird Zeit, dass wir uns aufraffen und der Bedrohung gemeinsam entschieden entgegentreten!